Isa Dahl
|
|
|
|
|
|
|
|
Adrienne Braun, Eröffnungsrede
Zeit und alles am 23. September 2021
Ich freue mich, dass ich schon wieder
hier sprechen darf, auch wenn es eine
Herausforderung der besonderen Art ist.
Denn es ist nicht meine erste Rede über
die Arbeiten von Isa Dahl und Daniel Wagenblast.
Schon mehrfach habe ich mich verführen
lassen von den Malereien von Isa Dahl,
die einen förmlich hineinzieht in
ihre Bilder. Sie malt Schlaufen und Schlingen,
breite Farbstreifen, die Bänder oder
Blätter sein könnten, Florales
oder ein gummiartiges Gewebe. Mit köstlichem
Schwung setzt sie diese Bänder in
Bewegung, bringt die Leinwand zum Pulsieren,
ja Beben.
Rhythmen tänzeln über die Fläche
und scheinen einen mitzunehmen in ihrem
selbstsicheren Takt. Manchmal scheinen
einen die Wellen und Schlingen aber auch
wie fleischfressende Pflanzen zu ködern,
als wollten sie uns einwickeln, uns mit
Tentakeln umschlingen und fortreißen
in die Endlosigkeit, in der ewige Bewegung
und stetes Pulsieren regieren. Isa Dahl
scheint uns in schaurig-schöne Welten
zu entführen, abgründig und
geheimnisvoll.
Dem Gegenüber wie ein Kontrapunkt
der nassforsche Daniel Wagenblast, der
auf sein Publikum zugeht, es auch mal
mit hölzernen Pistolen herausfordert.
Seine Skulpturen sind Setzungen, selbstbewusst
geäußerte Objekte, die er der
Welt vor die Nase knallt: Hier bin ich,
jetzt bist du dran. Deshalb spielen Hände
eine wichtige Rolle in seinem Werk, sie
wachsen wie aus dem Nichts aus den Wänden
heraus, um uns etwas darzubieten. Was
hat er uns nicht schon alles präsentiert:
Autos und Panzer, nackte Figuren und Plastikflaschen.
Motive, mit denen er uns spiegelt: Seht
her, das ist die von euch gemachte Welt.
Hände aber auch bei seinen Figuren
und fast szenischen Skulpturen, Hände,
die aktiv sind, zum Schwert, zum Messer
greifen, zur Pistole oder mit ihrer riesenhafte
Pranke kurzerhand menschliche Gestalten
packen und in ihre Gewalt bringen. Diese
Hände stehen synonym für das
menschliche Tun, unser aller Tun. Im Kosmos
von Daniel Wagenblast sind im Grunde wir
die Akteure.
Der Kunstbetrieb stürzt sich fast
zwanghaft auf Innovationen. Er richtet
sein Augenmerk auf das, was sich vom Vorausgegangenen
abhebt. Heute würde man vermutlich
von Unique selling point sprechen, vom
Alleinstellungsmerkmal. Künstler
werden als Marke gehandelt, die für
etwas stehen, stehen müssen. Duchamp
war der mit den Ready-Mades, Beuys der
mit dem Fett, Abramovic mit dem Schmerz.
Das hat einerseits mit dem Impuls der
Kunstwissenschaft zu tun, die Dinge zu
kategorisieren und künstlerische
Positionen in eine Chronologie der steten
Weiterentwicklung zu bringen. Kunstgeschichte
ist die Geschichte der ewigen Innovation,
des steten Überwindens dessen, was
vorausgegangen ist.
In diesem Vorgehen spiegelt sich aber
auch unser aller Bedürfnis, die Welt
zu verstehen und sie dazu in griffige
Päckchen zu packen, die wir in Schubladen
ablegen können. Es ist uns kaum möglich,
komplexe Phänomene in ihrer Gänze,
mit sämtlichen Ambivalenzen und Referenzen
zu erfassen, weshalb wir sortieren, systematisieren
und dabei auch immer erst das Augenmerk
auf das richten, was uns vertraut ist,
um sich dann dem Unbekannten, Neuen anzunähern.
Je komplexer die Welt wird, das zeigt
sich derzeit in vielerlei Hinsicht, desto
größer das Bedürfnis nach
einfachen Erklärungsmodellen, nach
simplen, schlagenden Thesen, die dann
am besten lautstark vorgetragen werden,
damit jeder Zweifel, jeder Hinweis auf
eventuelle Widersprüche übertönt
wird.
Warum sage ich das? Weil dieses Vorgehen
einem künstlerischen Werk nur bedingt
gerecht wird. Denn ein Leben, auch ein
Künstlerleben ist lang und von vielen
Phasen und Methoden begleitet, sodass
sich das eigene Schaffen keineswegs auf
einen Nenner, auf diese eine innovative
Schöpfung beschränken lässt,
auf das, worauf die Nachwelt das Werk
dann gegebenenfalls reduziert.
Auch im Schaffen von Isa Dahl und Daniel
Wagenblast existieren zahllose Facetten
und Schattierungen, es entwickelt sich
fortwährend weiter, so, wie auch
hinter jeder einzelnen Arbeit selbstverständlich
ein Prozess steckt. In Ausstellungen sehen
wir gewöhnlich nur das Ergebnis,
das, was im Grunde die Marke definiert
und festigt. Prägnant, griffig, konzise.
Und ich als Rednerin leiste dieser Reduktion
letztlich Vorschub, indem ich benenne,
was den Unique selling point ausmacht.
Im Journalismus spricht man von Küchenzuruf,
mit dem die Autoren vorab in der Konferenz
die Botschaft ihres Artikels auf den Punkt
bringen. Kurz und knackig.
Die Marke, die nach außen getragen
wird, zeigt aber immer nur die halbe Wahrheit.
Wenn Sie sich hier im Raum umschauen,
erleben wir ausnahmsweise, dass sich Kunst
nicht mit einem schnellen Küchenzuruf
auf den Punkt bringen lässt. Isa
Dahl und Daniel Wagenblast haben die Architektur
mit Fahnen unterteilt, also zerschnitten
und damit das aufgebrochen, was
doch selbstverständlich die Kunstrezeption
ausmacht: Hier die Wand mit Werken, dort
die Rezipienten.
Und schon schmelzen die Gewissheiten dahin
und winden sich die beiden Künstler
aus dem festen Griff, mit dem sie im Kunstbetrieb
als Marke verhandelt werden: Hier die
Malerin, dort der Bildhauer. Stattdessen
geben sie uns Einblicke in das, was sie
noch sind: Daniel Wagenblast fotografiert,
zeichnet, collagiert, er arbeitet nicht
nur mit dem Griffel, sondern auch mit
dem I-Pad. Auch Isa Dahl macht Zeichnungen,
Skizzen.
Und weil diese Vielfalt auch zu ihnen
gehört, haben sie sie in die Galerie
mit hineingeholt um zu zeigen,
was hinter der Marke steckt, die hier
ja auch schon mehrfach ausgestellt war
und also als feststehender Begriff fortgeschrieben
wurde. Dass wir nun die verfremdeten Stuttgart-Ansichten,
die Collagen aus Fotografie, Zeichnung,
Schrift und Skulptur oder auch die Detailaufnahmen
aus Isa Dahls Gemälden oder Schwarzweiß-Zeichnung
auf Fahnen präsentiert bekommen,
ist ein konzeptueller Wink: Der flüchtige
Stoff als Antipode zur zeitlosen Leinwand,
zur handfesten Holzfigur, zum griffigen
Aluminiumguss. Der Stoff als ein vager,
beweglicher Bildträger, nicht auf
ewig zementiert, sondern als Vorschlag
und auch als leiser Protest gegen das
fertige Artefakt, das der Kunstmarkt einfordert.
Besonders überraschend für mich
sind die Arbeiten im Obergeschoss, bei
denen sich Isa Dahl und Daniel Wagenblast
endgültig den Kategorisierungen und
dem ewigen Labeln entziehen: Es sind Gemeinschaftsarbeiten.
Natürlich erkennen wir schnell den
Duktus von Isa Dahl, diese gewellten,
sich wölbenden Formationen, die zahllosen
zarten Linien, die sich zu einem größeren
Ganzen verbünden wie eine Armada,
in der das Einzelne aufgeht in einer gemeinsamen
Bewegung. Und zugleich das Wunder der
Malerei, das auf der Fläche Räume
zu schaffen vermag: Die Farbmaterie wird
plastisch, drängt sich uns entgegen,
taucht dann wieder ab in die Enge ungreifbarer
Untiefen. Mitunter wirken diese Bilder
wie Reliefs, wie Raumkunst, grad so, als
wäre Isa Dahl die Bildhauerin.
Das Prozesshafte ist ein wesentliches
Motiv dieser Gemeinschaftsarbeiten, bei
denen Isa Dahl auf der Pappe etwas hinterlässt,
das Daniel Wagenblast fortsetzt. Auch
hier wieder Hände, die nach der Kunst
greifen, sie packen, festhalten wollen.
Dann wieder nutzt er die Motive, um sie
assoziativ weiterzuentwickeln: Da marschiert
ein fröhlicher Elefant über
den Erdball oder wird das verschlungene
Liniengeflecht zur Blüte einer Blume.
Diese Arbeiten erlauben sich, spielerisch
zu sein, sie spielen auch kess mit der
eigenen Marke, dem eigenen an sich so
ernsthaften Ansinnen, Werke zu schaffen,
die vollendet sind, also kongenial Form
und Inhalt verbinden, präzise durchdacht
und durchgearbeitet sind. Die Pappe als
schäbiger, billiger Bildträger
gemahnt, dass Kunst sehr wohl auch diese
Leichtigkeit besitzen kann, eine Lebendigkeit,
Offenheit, Freiheit.
So zeigen uns die beiden, dass künstlerische
Positionen immer auch ein Vorher und Nachher
haben. Besser könnte man dieses Verständnis
von Welt kaum vermitteln als es Isa Dahl
in ihrer Malerei tut. Alles fließt,
wächst und wuchert weiter, drängt
voran, mutiert und wandelt sich. Auf ihren
Bildern tauchen wir ein in diesen ewigen
Strom, der keinen Halt bietet, kein Verharren,
der niemals stoppt und behauptet: So,
wie die Dinge in diesem kurzen Moment
sind, sind sie wahrhaftig und verlässlich.
Nein, das Hier und Jetzt, der Moment,
den wir, wenn es nach Achtsamkeitstrainern
geht, doch immer ganz bewusst erleben
sollen, es gibt ihn nicht. Es gibt kein
Jetzt, sondern nur den Übergang vom
Vergangenen ins Zukünftige.
Deshalb beschränken sich die Motive
von Isa Dahl auch nicht auf die Leinwand,
sondern scheinen sich jenseits des Bildrahmens
fortzusetzen. Es ist genau dieser kleine
Ausschnitt, den wir als Gegenwart bezeichnen,
den sie hier einfängt, um doch mit
der Energie, die uns förmlich mitreißt,
spüren zu lassen, dass der Strom
weiter fließt, dass Sein ein stetes
Vorangehen meint. Das Sichtbare verweist
hier auf etwas, das jenseits stattfindet,
und groß und endlos zu sein scheint.
Damit benennt diese Ausstellung sehr präzise
die Eckpunkte, die unser Sein markieren.
Einerseits hineingeworfen in ein vielschichtiges,
widersprüchliches, nicht zu fassendes
Universum und andererseits das
hilflose Bemühen, selbst Akteur zu
werden, Kontrolle zu erlangen, indem man
tätig wird, Fakten schafft, eine
vermeintlich wahre Existenz konstruiert,
wie Daniel Wagenblast es uns spiegelt.
Das Messer, das bei ihm immer wieder auftaucht,
ist auch ein Symbol für das Bemühen,
kleine, handliche Ausschnitte von Welt
herauszuschneiden, um sie leichter fassen
zu können. Und dort, wo das nicht
gelingen mag, nutzt man die Macht des
Messers, um das Störende, Befremdliche,
allzu Komplexe kurzerhand auszulöschen.
Letztlich bleibt es aber ein vergeblicher
Versuch, Übersicht zu bekommen. Die
Aluminiumfiguren von Daniel Wagenblast
mögen sich bemühen, das große
Ganze zu erfassen, ihren Platz zu definieren
im komplexen Gefüge von Sonne, Erde,
Mond und dem, was dahinter kommt. Aber
selbst wenn sie die Erde kess unter den
Arm klemmen oder stolz auf ihr thronen,
so ist es doch reine Hybris, sich vorzumachen,
wir bekämen das Universum und unsere
kleine Existenz darin jemals in den Griff.
So bleibt mir nur, Ihnen Mut zu wünschen,
die Bereitschaft, sich vielleicht
nicht nur beim Rundgang durch die Ausstellung
freizumachen vom allzu menschlichen
Impuls, die Dinge kategorisieren zu wollen,
sie festzuzurren, sie mit kräftiger
Hand zu packen und ihnen damit womöglich
die Luft abzuschnüren.
Nutzen Sie die Ausstellung als Übung,
sich einzulassen, statt sofort in Schubladen
zu pressen, das Fließende, Flüchtige
zu erspüren, statt nach Marken zu
suchen. Ich bin sicher, dieses Experiment
von Isa Dahl und Daniel Wagenblast, das
uns lehrt, nicht Enge zu suchen und uns
ans platte Botschaften zu klammern, sondern
die Freiheit zu ertragen, diese Lehre
kann die Welt gerade in diesen Zeiten
gut gebrauchen.
|
|
|
|
Gespräch zwischen Isa Dahl und Sabine
Heilig im Stuttgarter Atelier
am 6. Oktober 2020
Wie siehst Du Deine bildnerische Entwicklung
in den vergangenen Jahren?
Ich traue mir mehr zu. Es war am Anfang
tatsächlich schwierig, den Weg in
eine eigene Bildwelt zu entdecken, mit
einer eigenen Handschrift. Ich habe ja
vor vielen Jahren, 1989, z.B. schon mit
quadratischen Bildern angefangen mit der
Serie Fassade, dann um 1996 weiter mit
der Serie NachtRäume. Klar, man überlegt
immer, nach jedem Bild, wie man weitermachen
kann, wie der nächste logische Schritt
aussehen könnte. Also, wenn man sich
nicht mehr auf das Wagnis einlässt,
das erworbene malerische Wissen immer
wieder aufs Spiel zu setzen, geht es nicht
weiter. Aber durch die Erfahrung nimmt
die Bandbreite an Dingen, die man ausprobieren
will, tatsächlich eher zu als ab.
Du hast einmal beschrieben, dass Du
anfangs beleuchtete Fenster im nächtlichen
Stuttgart fotografiert hast.
Ach, eigentlich ist diese Idee mit
Fassade und Vorhang ursprünglich
in Düsseldorf entstanden. Das war
so, ich habe ja von Stuttgart nach Düsseldorf
an die Akademie gewechselt und zuvor in
Stuttgart an der Akademie Kühlschrankbilder
gemalt, mit denen ich auch das Staatsexamen
gemacht habe. Das waren Bilder von Kühlschränken,
die eigentlich leer waren. Sind durchaus
auch magische Räume, Kühlschränke.
Realistische Motive?
Nein, das würde ich so nicht
sagen. Es waren räumliche Konstrukte,
in denen Tuben und gelegentlich auch Eier
lagen. Mit denen bin ich damals nach Düsseldorf
gegangen und habe sie Dieter Krieg gezeigt,
worauf er mich ja auch genommen hat. In
Düsseldorf bin ich dann erst mal
in der Stadt herumgelaufen und habe mir
alles angeschaut. Man merkt ja dort auch
die Nähe zu Holland, dass es in den
Häusern im Erdgeschoss viele Fenster
gibt mit Vorhängen, die kombiniert
sind z.B. mit einer Topfpflanze. Der Blick
von außen in diesen verstellten
Raum,die Strukturen und Muster der Gardinen,
das hat mich interessiert. Am Anfang habe
ich tatsächlich nicht gewusst, gefällt
mir jetzt die Topfpflanze besser oder
dieser Vorhang oder was denn eigentlich?
Es gab auch erst einmal die Angst, dass,
wenn ich das Inhaltliche verlasse, diese
Verankerung zur Realität, dass ich
mir dann die Rechtfertigung zu malen wegnehme,
weil ich sowieso noch nie ein Geschichtenerzähler
war. Um so mehr man auf Inhaltlichkeit
verzichtet, um so mehr rückt die
Malerei an sich in den Vordergrund und
wird zum alleinigen Motiv, sozusagen zum
Bedeutungsträger. Das Bild sollte
mehr ein gedanklicher Raum sein, in den
ich mich hineinbegebe, in dem ich mich
befinden und wiederfinden kann. Es war
eine Zeitlang mein Ziel, möglichst
langweilige Bilder zu malen, in der Hoffnung,
dass man, wenn man sie dann anschaut,
über sich selbst viel erfährt.
Was natürlich ein Stück weit
völlig absurd war.
Du sagst ja heute noch, dass die Bilder
für den Betrachter Rückzugsort
und Gedankenort werden sollen. Das
ist der gleiche Ansatz.
Ja, das finde ich schon. Tatsächlich.
Aber die Bilder müssen schon Präsenz
haben, sonst werden sie nicht gesehen.
Wenn man einen musealen Raum hat und man
hängt ein stilles, reduziertes Bild
rein, dann kann das funktionieren. Aber
ich habe eben in den Jahren nach der Akademie
festgestellt, dass meine Bilder nicht
die nötige Direktheit hatten, sich
zu behaupten, zum Beispiel in lauten Räumen,
auf Messen beispielsweise. Und das ist
natürlich irgendwann ein existentielles
Problem, wenn du merkst, dass das Bild
im Atelier wunderschön aussieht und
alle es toll finden, die es sehen. Doch
im Atelier sieht es ja fast niemand. Aber
sobald es den Raum verlässt, also
diesen Schutzraum, und sobald die Umgebung
lauter ist, und alle Bilder um dein Bild
herum rufen: Hallo, hier bin ich!, und
das eigene Bild ist still, dann wird es
nicht gesehen. Ich habe mir dann überlegt,
dass ich im Prinzip an ein paar Stellschrauben
drehen muss, wenn ich nicht total untergehen
will mit dem, was ich mache. Es ging im
Grunde darum, wie kann ich z.B. die Leuchtkraft
der Farbe steigern? Kann ich dadurch,
ohne die Grundintention der Bildidee zu
verlassen, das Bild intensiver machen?
Kann ich zu der Ruhe eine Bewegung hinzufügen,
um eine Fokussierung auf den Ruhepunkt
zu erreichen? Das waren die Fragestellungen,
weil ich einfach gemerkt habe, dass ich
sonst meine Ideen in der Malerei gar nicht
rüberbringen kann.
Auf der anderen Seite ist wieder die Gefahr,
wenn du farblich sagen wir mal
so in die Vollen greifst, dass
die Bilder nur noch als Dekoration wahrgenommen
werden. Es gibt so entsetzlich viele flott
gemalte Bilder, die aber nie den Punkt
erreichen, an dem man wirklich sagen kann:
Jetzt ist das Bild so wie es ist und nicht
anders. Ich möchte keine Bilder malen,
die so beliebig sind, Salonmalerei eben.
Ich muss für mich davon überzeugt
sein, dass es so die beste Lösung
ist. Alles andere ist dann auch egal.
Das versuche ich auszublenden.
Bleiben wir mal beim Malen: Gibt es
sie wirklich? Die Angst des Tormanns
beim Elfmeter auch in der
Kunst?
Ich glaube, dass die Angst des Tormanns
vor dem Elfmeter wesentlich geringer ist,
als als die Angst des Schützen. Für
ihn ist im Falle des Scheiterns die Blamage
viel größer, insofern hat Handke
hier ein falsches Bild gewählt -
vielleicht bewusst ein falsches Bild,
weil es in sich nicht stimmt, deshalb
zum Nachdenken führt. Würde
man als Künstlerin ebenso gefeiert,
wie ein Torhüter, der einen Elfmeter
hält, wenn einem ein Bild gelingt,
wäre das natürlich wunderbar.
Das Zögern zu Beginn, wie setze
ich den ersten Pinselstrich?
Der erste Pinselstrich ist nicht das
Problem. Aber ich brauche Zeit, bis ich
anfange. Zeit, in der in warte und nachdenke,
bis ich glaube zu wissen, wie ich beginnen
muss. Das ist aber nicht mit Angst verbunden,
es geht um eine Idee, darum die richtige
Haltung und den richtigen Zeitpunkt zu
finden, um zu beginnen. Es ist wie beim
Pilzesuchen, am Anfang sieht man oft keinen
einzigen und dann plötzlich sprießt
es überall.
Und umgekehrt wann weiß
man, wann es genug ist? Wann ist der Punkt
erreicht, den Pinsel endgültig niederzulegen?
Man geht zurück und sieht das
Bild und es ist da. Das ist das Glück
des Gelingens, es sieht dann mühelos
und selbstverständlich aus. Egal
wie lange es gedauert hat. Wenn sich das
nicht einstellt, macht man weiter. Man
kann aber nichts mehr zurückholen.
Ich male eigentlich so, dass jeder Strich
das Bild potentiell beenden kann.
Deine Arbeitsweise ist sehr speziell
auf Dein Malmaterial abgestimmt. Oder
sollte man es umgekehrt formulieren, das
Material gehorcht den Vorstellungen der
Malerin? Gibt es denn dabei noch Überraschungen,
bzw. kann man nach über 30 Jahren
Malerei immer noch Entdeckungen machen?
Malen hat natürlich viel mit
Erfahrung zu tun und mit Entdeckungen,
die man beim Malen macht. Das betrifft
auch das Material. Würde es keine
Entdeckungen und Überraschungen mehr
geben, würde ich nicht mehr malen.
Die Weite der malerischen Möglichkeiten
ist unbegrenzt. Die Möglichkeit,
etwas zu entdecken, nimmt eher zu als
ab im Laufe der Jahre.
Ist es auch eine wichtige Frage, welche
Form der Malgrund hat? Z.B. das Tondo,
das Rundbild? Ist es so, dass man das
Konzept, dass man über die Jahre
entwickelt hat, immer mehr auf den Punkt
bringt?
Was ich spannend finde ist, wenn man
z.B. das Quadrat im Format ein Meter mal
ein Meter nimmt das ist ein Bildformat,
das ich so ungefähr seit 25 Jahren
male wie man sich den gleichen
Abmessungen über die Jahre unterschiedlich
nähert. Wenn man die Bilder so nebeneinander
sieht, eins von heute und eins von vor
20 Jahren, kann ich eigentlich nicht sagen,
dass ich die früheren von vor 20
Jahren nicht mehr mögen würde.
Tatsächlich weiß ich noch ziemlich
genau bei jedem Bild, das ich gemalt habe,
wie ich es gemalt habe.
Wie viele Bilder hast Du denn in Deinem
Leben schon gemalt?
Ganz bestimmt schrecklich viele.
Du bist immer experimentierfreudig,
wenn ich überlege, dass Du etwas
machst, dass kaum jemand macht, z.B. Bilder
in Rautenform, die auf die Spitze gestellt
sind, oder auch ovale Bilder.
Was eigentlich ganz interessant ist.
Und ich würde auch sagen, dass all
diese Sachen gar noch nicht abgeschlossen
sind. Aber tatsächlich komme ich
immer wieder auf das Quadrat oder auf
die Kreisform zurück. Das sind einfach
in sich gültige Formen. Die Kreisform
ist etwas Unendliches und das Quadrat
der Inbegriff der abstrakten Form.
Das Quadrat hat etwas Architektonisches,
weil man es im Bezug zur Wand sieht.
Ja, das stimmt, und ein Querformat
zum Beispiel hat auch immer etwas Landschaftliches
. Aber es einfach interessant,
etwas auszuprobieren. Ich habe mir mal
so lange Rauten gebaut und die lagern
jetzt. Es ist natürlich auch so,
dass es manchmal ein logistisches Problem
ist. Die Raute muss, um eine vernünftige
Fläche zu haben, riesig sein. Sie
wird unglaublich schwer. Und das hält
mich ein bisschen davon ab, weil dann
auch die Leichtigkeit, damit umzugehen,
verlorengeht.
Aus der Sicht des Betrachters kann
ich einer Kollegin recht geben, die beschrieben
hat, vor Deinen Bildern sollte man sich
einen festen Stand suchen.
Alles ist Veränderung unterzogen,
manchmal abrupt in einem benennbaren Ereignis,
die meisten Veränderungen geschehen
aber langsam, fast unmerklich. Ich versuche,
in der Zeit selbst zu bleiben. Auch das
Innehalten, zum Beispiel in der Betrachtung
eines Bildes, ist kein Stillstand, jeder
Moment ist der Vergänglichkeit unterworfen,
so gesehen ist alles im Fluss. Ein Bild
ist eine Projektionsfläche der eigenen
Wahrnehmung, der eigenen Gedanken und
ihrer Veränderung.
Du arbeitest immer in Werkgruppen,
z.B. Augenblicke, lang, eben still, zwischen
und, In Sicht, nur so, wanderung oder
zuletzt als ob hast Du sie unter anderem
genannt. Wie kommst Du auf diese Werktitel?
Die Serientitel kommen einfach irgendwoher.
Wenn mir etwas einfällt, schreibe
ich kleine Zettel, manchmal irgendwo in
Bücher hinein. Das taucht dann wieder
auf oder nicht. Alfred Knecht, Karlsruher
Galerist, meinte bei einem Bild, es erinnere
ihn an Rousseau - ich verstand nur so.
Die lapidare und dabei zweideutige Aussage,
das ist gut, eben nur so, nicht anders
und andererseits lässig, ganz einfach
selbstverständlich nur so, aus dem
Handgelenk sozusagen. So entstand der
Titel für diese Serie. Ein Serientitel
wie sonst ist ein Hinweis auf die Hintergründigkeit
oder auch Abgründigkeit möglicher
Assoziationen. Bilder sind ja oft Auslöser
für innere Filme, und jeder hat seine
eigenen.
Insofern verlagert sich die Deutungshoheit
auf den Betrachter.
Deine Motive sind nicht abbildend,
haben nicht mit konkreten Erscheinungen
wie einem Landschaftsraum oder der Natur
zu tun?
Nein, die Motive sind nicht abbildend.
Sie sind auch nicht abstrahierend. Malerei
hat für mich keine inhaltlich dienende
Funktion, sie eröffnet neue Fenster
zur Welt- und Daseinsbetrachtung, vielleicht
auch als Rückzugs- oder Gedankenort.
Ein Bild aus der Serie Flowers 24hours
bildet nicht etwa eine spezielle Blüte
oder Blume ab, es vereinfacht nicht eine
Form in ein malerisches Kürzel, sondern
umgekehrt entsteht aus einem malerischen
Kürzel, das verdichtet wird, etwas,
dass eine pflanzliche Assoziation auslösen
kann. Aber der Titel geht insofern darüber
hinaus, da es auch um die Vergänglichkeit
geht. Ein Bild bleibt so, wie es ist,
wenn es einmal getrocknet ist. Es ist
ein Moment, der ewig wird. Ausgelöst
wurde Flowers 24hours durch die scheinbar
nie welkenden Blumen der 24 Stunden geöffneten
Delishops in New York.
Nun heißt die neue Ausstellung,
in deren Anschluss dieser Katalog entstanden
ist, konkretsichtbar. Das scheint ja nun
gar nicht zusammenzupassen.
Meine Bilder sind Bildgefüge
aus Reihungen, Rhythmen, Verdichtungen
von konkreten, das heißt von nachvollziehbaren,
von ablesbar gesetzten Pinselstrichen.
Denn konkret bedeutet in seinem Wortsinn,
also von lat. concretus, nichts anderes
als: zusammengewachsen, verdichtet.
Der sich aus der Verdichtung der Pinselstriche
ergebende räumliche Illusionismus
schafft eine abstrakte Raumillusion.
Das steht natürlich im Widerspruch
zur konkreten Kunst, meine Malerei ist
gestisch und auch durchaus emotional.
Und auch wenn der Bildaufbau in seiner
Grundidee geplant ist, entstehen die Bilder
dem Plan folgend und ihn dann zum Teil
überwindend im Prozess. So ist in
der Verkettung der beiden Begriffe der
Titel konkretsichtbar von Katalog und
Ausstellung im Kunstverein Rosenheim entstanden.
Du hast von dem Licht gesprochen und
von der Steigerung der Farbwirkung. Und
das beobachtet man gerade im Moment in
Deinen Bildern, in dieser neuen Serie
also ob. Die sind teilweise unglaublich
starkfarbig.
Manchmal ist es auch schön, wenn
man ein ganz reduziertes Bild hat, weil
die Farbigkeit der anderen dadurch stärker
wird. Ein graues Bild, da kann man sich
die Farben auch einfach hinzudenken, das
ist wie in der Dämmerung, wenn alles
vermeintlich grau wird, und trotzdem haben
die Dinge ja noch ihre Farbe.
Deine Bilder entstehen im Kunstlicht
im Atelier. Verändern sie sich dann
nochmal im Naturlicht?
Nein, das hat eher etwas mit dem Raum
zu tun, z.B. bei der Hängung in einer
Ausstellung, da geht es um die Gesamtwirkung
der Ausstellung, wenn ein Bild dann doch
nicht aufgehängt wird.
In meiner aktuellen Ausstellung im Kunstverein
Rosenheim wollte ich nicht nur Bilder
aus der Serie als ob zeigen und habe dann
noch eine neue wanderung gemalt, locker,
starkfarbig, ein gewisser Bruch.
Ursprünglich wollte ich ja die neuen
runden Bilder aus der Serie bloom mit
den quadratischen kombinieren, es wurde
aber zu unruhig. Deshalb habe ich sie
räumlich dann getrennt.
Wenn Du davon sprichst, die Leuchtkraft
der Farbe zu steigern, was meinst Du damit?
Die Wahl der Farbe entscheidet ja schon
über die jeweilige Leuchtkraft. Rot
zum Beispiel hat eine andere Wirkung als
Braun.
Ja, klar. Aber nicht jedes Rot leuchtet.
Das ist natürlich eine technische
Frage. Wie kann ich erreichen, dass eine
Farbe lichthaltig ist und dadurch Leuchtkraft
bekommt? Die Farben kommen aus der Tube
und dann mische ich sie erst einmal mit
dem Pinsel. Und dann werden sie weiter
auf dem Bild selbst vermischt, in Schichten
übereinandergelegt. Und weil es Lasurschichten
sind, ist es so, dass, wenn man sie nass
in nass übereinanderlegt, sich die
Farbschichten dann miteinander verbinden.
Also, je nachdem, wie fest man mit dem
Pinsel drückt, stärker oder
schwächer. Wenn es um die Leuchtkraft
geht, ist das Verfahren eigentlich so,
dass wenn die Farbschichten ganz
dünn sind - das Tiefenlicht sozusagen
vom Bildgrund herkommt, von der Grundierung.
Wenn man über die Leuchtkraft
von Farbe spricht, dann kann man die Lichthaltigkeit
einer Farbe meinen. Zusätzlich ist
es bei Dir, wie Du sagst, auch eine räumliche
Wirkung, die aus der Bildtiefe entsteht.
Ich finde das interessant, weil Christoph
Bauer im letzten Katalog von 2018 von
der Art und Weise gesprochen hat, wie
Du mit Farben umgehst, vergleichbar mit
den venezianischen Malern, denen es ja
auch darum ging, die Schönheit der
Farbe in den Vordergrund zu stellen.
Natürlich ist es auch toll, wenn
man mit Farbe so einen Reichtum vorgaukelt.
Er schreibt prunkende
Malerei.
Das ist sehr liebenswürdig. Das
ist natürlich auch ein Privileg des
Malers, dass er zum Beispiel edle Geschmeide
darstellen kann, mit nichts als Schwarz,
Gelb und Weiß. Es ist nur Farbe,
nur Pinsel, nur eine Leinwand. Eigentlich
wenig, man braucht sehr wenig, um viel
an Schönheit, an imaginärem
Raum, an Vorstellungsraum zu schaffen.
Das ist das, was mich daran fasziniert.
Und es ist auch schön, wenn andere
Menschen das dann auch mögen. Ich
habe eigentlich schon ein inniges Verhältnis
zu den Betrachtern meiner Bilder, verrückterweise
ist das so. Ich möchte, dass es ihnen
gut geht. Für mich sind Bilder, und
nicht nur meine eigenen, sondern auch
alte Bilder z.B., vor allem ein Quell
großen Glücks. Sie anschauen
zu können, das finde ich wunderbar.
Es gibt wenige Dinge, glaube ich, die
ich so schön finde, wie manche Bilder
oder, es gibt eigentlich nichts
Schöneres als Malerei.
Welche Rolle spielt die Natur? Bist
Du gerne in der Natur?
Es ist schön, Natur zu erleben.
Einen Wasserfall z.B. zu betrachten. Diese
Möglichkeit der ständigen Veränderung
in dem gleichförmigen Blick bei einem
Wasserfall oder ganz normalen Bewegungen
von einer Wiese z.B. oder wenn man den
Himmel betrachtet. Da muss noch nicht
einmal eine Wolke darauf sein, er verändert
sich trotzdem. Geräusche können
sich ja auch unmerklich verändern.
So etwas finde ich sehr interessant. Ich
finde es wichtig, die Natur als etwas
zu begreifen, das auch in unspektakulären
Dingen schön ist. Aber ich würde
sagen, ein wunderbar gemaltes Bild ist
eben etwas Einzigartiges.
Es ist ja auch so, dass der Wasserfall
oder die Wolken von der Natur gemacht
werden, das Bild macht der Mensch. Und
somit verändert sich auch der Anspruch,
der dahinter steckt. Du willst ja nicht
die Natur imitieren, obwohl mancher sich
an Wolken oder an Landschaftsdetails erinnert
fühlt oder an Pflanzliches.
Dagegen ist nichts einzuwenden. Mir
geht es gut, wenn jemand sich dazu eigene
Ideen macht und sich darin verliert in
eigenen Gedanken, sich erinnert an Dinge.
Das finde ich ganz wichtig, dieses Denken
an Dinge, dass man etwas einmal wahrgenommen
hat und das wieder für sich zurückholen
kann. Also Gesehenes oder Erlebtes zurückzuholen,
wenn ein Bild so etwas kann
.
Also im Prinzip den gleichen Weg zu
gehen, den Du auch gegangen bist?
was ich wichtig finde, ist,
wenn eine Autonomie des Betrachtens da
ist. Ich glaube, Bilder haben etwas sehr
Beruhigendes, denn sie sind so, wie sie
sind. Und man kann sich im Prinzip ein
Bild von Georges de la Tour nach 20 Jahren
wieder anschauen und es immer noch genauso
schön. Man ist ein anderer Mensch,
der dem gegenübertritt, aber man
weiß noch, was man gedacht hat,
als man das Bild das letzte Mal gesehen
hat. Das kann einem vieles klarmachen.
Ein Bild kann ein Spiegel sein.
Es war 1995, zum Abschluss Deines
Villa Romana Preises in Florenz, als in
einem der ersten Kataloge Wolfgang Heger
schrieb, Du würdest in Deinen Bildern
ein Spiel spielen mit den Wünschen
des Betrachters, der gezwungen sei, hineinzusehen,
und nach Bedeutungen suche. Siehst Du
das heute genauso?
Was mir an dieser Aussage eigentlich
nicht gefällt, wenn ich darüber
nachdenke, ist die Tatsache, dass ich
nicht mit Wünschen spiele, sondern
dass meine Bilder für den Betrachter
ein Gegenüber sein sollen, mit Tiefe
und Schönheit, mit Bewegung und Ruhe,
etwas, dass einfach nur da ist, und eher
befriedet als herausfordert.
Aber natürlich, es klingt verlockend,
mit Wünschen zu spielen.
Erfüllst Du Wünsche?
Das wäre schön, wenn das
gelänge. Aber es gibt diese dunkle
Seite in Wünschen, dieses Obskure.
Eine symbolistische Seite, etwas Psychologisierendes.
Und das, glaube ich, das möchte ich
nicht.
Es ist interessant, ich habe gerade in
Berlin eine Ausstellung mit Werken belgischer
Symbolisten angeschaut. Das ist ja eigentlich
überhaupt nicht meine Thematik. Alles
sehr schwül, sehr erotisch und sehr
gegenständlich. Aber es hat viel
zu tun mit Halbdunkel und mit Unerfülltem
und Unausgesprochenem. Und das ist natürlich
schon auch Bestandteil in meinen Bildern.
In dem Moment, in dem man den Betrachter
sozusagen auffordert, sich dahineinzudenken
oder hineinzuträumen oder nachzusinnen,
was ihm am besten gefällt, oder nur
die Farbigkeit zu genießen
in dem Moment setzt man Assoziationen
in Gang. Bei diesen Bildern der belgischen
Symbolisten hat man durch die Inhaltlichkeit
erst einmal einen klaren Anhaltspunkt,
aber es gibt eben auch diese Mehrdeutigkeiten.
Gibt es noch einen Aspekt, der Dir
auf dem Herzen liegt?
Ja, etwas, dass wir nicht angesprochen
haben, was mir aber sehr wichtig ist.
Es sieht oft so aus, als ob sich Malerinnen
und Maler nicht mit theoretischen Fragen
befassen. Die Unterstellung, man male
eben, losgelöst von den gesellschaftlichen
Frage- und Problemstellungen der Zeit.
Das Festhalten an der Idee der Gültigkeit
des Realen, des einen Originals eben,
kann doch ebenso eine Reaktion auf die
zunehmende Beliebigkeit durch Verfügbarkeit
der Digitalisierung sein und nicht nur
ein unreflektiertes Festhalten am bisherigen
Kunstbegriff.
Aus der Globalisierung und Digitalisierung
ergeben sich einfach viele Fragen für
die Kunst, den ganzen Kunstbetrieb insgesamt.
Die Frage, zum Beispiel, inwieweit wir
an Erkenntnismöglichkeiten in einer
virtuellen Welt im Vergleich zur realen
glauben? Inwieweit ist ein realer Ort
einem virtuellen überlegen und umgekehrt?
Wie wichtig ist es, sich einer Sache mit
Mühe zu nähern? Also, sich auf
den Weg zu machen, und sich zu einem bestimmten
Ort tatsächlich zu begeben. Ist wirkliche
Teilhabe nur in realer Welterfahrung möglich?
Ich bin einfach der Überzeugung,
dass reale sinnliche Erfahrung vor dem
Original nicht ersetzt werden kann.
Die Aufnahme bricht nach 40:28.65
min ab.
|
|
|
|
Eröffnungsrede Adrienne Braun, wider
und Welt, Galerie Abtart, Stuttgart, 2019
Ich hoffe, Sie sitzen oder stehen
sicher, haben festen Boden unter den Füßen.
Denn Kunst kann uns bewegen, erschüttern,
aus dem Lot bringen. Sie vermag es, unseren
Geist zu irritieren und auf ungekannte
Pfade zu locken.
Jaja, mögen Sie denken, das ist jetzt
wieder das übliche Kunsthistorikergeschwätz,
bei dem allzu gern darauf verwiesen wird,
dass Kunst an Sehgewohnheiten rüttle,
dass sie Selbstverständliches hinterfrage
und uns unter Umständen gewaltig
zusetze, damit wir uns aus unseren eingefahrenen
Bahnen heraustrauen.
Aber wenn Daniel Wagenblast Revolver
in den Ausstellungsraum hineinzielen lässt,
dann merken wir ganz unmittelbar und physisch,
wie Kunst auf uns einwirken und manipulieren
kann. Denn etwas in uns geht sofort auf
Rückzug. Wir reagieren reflexhaft,
fühlen uns unbewusst angegriffen,
bedroht und treten innerlich automatisch
einen Schritt zurück. Die Wirkung
dieser Reliefs ist gewaltig und
es dauert einen Moment, bis wir die Situation
begriffen und uns vergegenwärtigt
haben, dass es sich um Holzobjekte handelt
und nicht um eine reale Bedrohung.
Damit darf ich Sie herzlich willkommen
heißen bei der Ausstellung von Isa
Dahl und Daniel Wagenblast. Ein bewährtes
Duo, beide sind sie keine Unbekannten
hier in der Galerie und in der Kunstszene
an sich. Zwei grundverschiedene Positionen:
Isa Dahl malt, fast meditativ scheint
sie die Pinselstreifen auf der Fläche
zu entwickeln. In pulsierendem Rhythmus
wölben sich ihre Farbbänder
auf zu Falten und Schlaufen. Die zart
linierten Streifen erinnern an Blätter,
an Florales, aber auch an Blicke durchs
Mikroskop auf organisches Gewebe, Fasern,
Algen, Mikroorganismen. Leicht und luftig,
fast entmaterialisiert und wie ein Hauch
tänzeln diese Strukturen mitunter
über die Fläche.
Daniel Wagenblast ist dagegen ein
durch und durch handfester Künstler.
Er schafft Objekte, die den Raum in Besitz
nehmen und physisch greifbar sind. Es
sind selbstbewusste und präsente
Skulpturen, die auch erzählerisch
sind, dramatisch zugespitzt. Figuren mit
scharfkantigen Schwertern, ungleiche Paare,
bei denen allein der Größenunterschied
der Figuren beredt ist und Spannung erzeugt,
fast aggressiv.
Und doch haben die Arbeiten von Isa
Dahl und Daniel Wagenblast etwas gemeinsam:
Sie setzen sich in Bezug zu uns. Es sind
keine hermetischen Kunstpositionen, die
nur für sich, den Kunstbegriff oder
den Kunstbetrieb existieren, sondern sie
binden dezidiert die Rezipienten ein und
forcieren nachgerade eine Reaktion.
Nicht immer lassen sich auf Anhieb die
Interaktionen der Figuren von Daniel Wagenplast
interpretieren. Aber die physische Kraft
dieser Szenen ist enorm. Es ist weniger
die inhaltliche Botschaft als die Strahlkraft
der Skulpturen, die körperliche Energie,
die sich unmittelbar überträgt.
Oftmals sind die Figuren schnell,
gar grob konturiert, was ihren Ausdruck
nur noch unterstreicht. Die Nase groß,
der Kiefer stark, die Haare abstehend
wie im Flug und schon hat Daniel
Wagenblast der Szene eine Entschlossenheit
eingeschrieben, die von energischem, vielleicht
gar gewaltvollem Handeln erzählt.
Die Brüste der Liegenden sind allzu
prall, kokett aalt sie sich und wirft
ihre Mähne nach hinten, aber die
dicken, tapsigen Füße verraten
doch auch ein ungelenkes Menschlein, das
vielleicht doch nicht so mondän und
schillernd ist, wie es vorgibt zu sein.
Und dann diese bewaffneten Hände.
Es sind, natürlich, Männerhände,
an denen Blut klebt. Ein Sujet, das in
Ausstellung eher ungewöhnlich ist:
Knarren gehören ins Entertainment,
zum Krimi, aber nicht in die Bildende
Kunst schon gar nicht in solch
dramatischen Szenen, so drastisch, theatralisch,
laut.
Der Kontext fehlt, Daniel Wagenblast
hat sich auf die Geste konzentriert, auf
den Moment der Bedrohung. Worauf spielt
er an? Auf Straßenkriminalität,
Drogenbosse, harte Kerle? Dazu passen
das brennende Auto, die Figur, die Öl
ins Feuer zu gießen scheint und
einen Flächenbrand provoziert. Diese
Objekte evozieren ganz unmittelbar Straßenschlachten,
die Proteste der Gelbwesten in Frankreich,
Gewalt im Hamburger Hafenviertel.
Sicher ist: Daniel Wagenblast provoziert
uns, bedroht uns. Der Pistolenlauf ist
in den Raum gerichtet, als würde
hier gleich wie beim Amoklauf blind in
die unbedarfte, unschuldige Masse geschossen
werden. Von den Flammen, die hochschlagen,
scheint eine gefährliche Hitze auch
für uns auszugehen. Das sind Bilder,
die wir tagtäglich im Fernsehen präsentiert
bekommen, nicht nur in den Nachrichten,
sondern in den zahllosen Krimis, die der
Mensch offensichtlich so gern sieht, dass
eine ganze Industrie damit befasst ist,
dramatische Szenerien zu entwickeln, spannungsgeladene
Konflikte zu inszenieren und mit allen
erdenklichen Mitteln diesen Moment des
grauslich-süßen Schreckens
und Kitzels zu provozieren.
Die Kunst hat es schwer, sich neben
dieser Lust nach Action, Thrill und Horror
zu behaupten und wird doch auch
gemessen an dieser immer höher geschraubten
Reizschwelle. Sie sieht sich zunehmend
genötigt, ebenfalls spektakulär
zu sein, um ein erlebnishungriges Publikum
zu befriedigen. Längst giert auch
der Kunstmarkt nach Spektakel, nach Show
und Event, dabei ist es doch eigentlich
gerade die Qualität und das Vermögen
der Kunst, uns auch mit leisem Einsatz
in Bewegung zu versetzen.
So spielen diese Reliefs von Daniel
Wagenblast nicht nur auf Action und Krimi
an, sondern reflektieren auf ironische
Weise die Funktion der Kunst und damit
auch die Rolle oder auch Misere des Künstlers,
der gezwungen ist, Werke zu produzieren,
die unserem Erlebnishunger gerecht werden,
die auffallen, aufrütteln und irritieren.
Da habt ihrs scheinen
uns diese bewaffneten Hände sagen
zu wollen, die auf uns zu gehen und bedrängen,
uns die Pistole auf die Brust setzen und
fragen: Ist es das, was ihr von
der Kunst erwartet?
Solch klare, direkte, durchaus provozierende
Reaktionen auf das System an sich sind
Isa Dahl fern. In einem ruhigen, extrem
konzentrierten Malakt entwickelt sie ihre
Formen, Schlingen und Schlaufen, die sich
endlos fortzusetzen scheinen wie Organismen,
die wuchern und wachsen. Isa Dahl drängt
nicht in den Raum hinein, geht nicht auf
uns zu, sondern arbeitet sich im Gegenteil
auf der Leinwand in die Tiefe hinein.
Oftmals sehen wir nur einen Ausschnitt
von größeren Räumen, von
denen uns nur ein schmaler Durchblick
eine Ahnung gibt. Das Sichtbare verweist
auf etwas, das jenseits des Rahmens stattfindet
und groß und weitläufig sein
könnte.
Während uns Daniel Wagenblast
vor den Kopf stößt, auf uns
zugeht, bedrängt, so werden wir in
die Bilder von Isa Dahl hineingezogen.
Mit nichts als ein paar Schlingen vermag
sie uns mitzureißen. Unser Blick
verhakt sich, hängt fest. Wir scheinen
an dieser rosaroten Welle haften zu bleiben,
als sei sie zuckrig und klebrig. Wir werden
vom Olivegrün eingefangen wie von
Algen, die sich unter der Wasseroberfläche
um unsere Beine schlingen. Dann wieder
fühlt man sich an Luftgeister erinnert,
die über die Fläche jagen und
uns mitreißen mit geheimnisvollem
Sog.
Diese Schlaufen und Strukturen mögen
leicht und harmonisch schwingen, und doch
sind sie abgründig und ambivalent.
Das liegt zum einen an den Formaten. Wir
haben es nicht mit den gängigen,
wohlig proportionierten Standardmaßen
zu tun, bei denen Höhe und Breite
in einem entspannt austariertem Verhältnis
stehen. Bei Isa Dahl sind die Formate
oftmals zu schmal oder zu flach, wodurch
der Effekt erzeugt wird, dass das Motiv
nachgerade in den Bildausschnitt gepresst
wurde.
Es entsteht der Eindruck klaustrophobischer
Enge. Die Bildränder beschränken
den Blick, grad so, wie wenn man durch
einen Schlitz in ein fremdes, geheimnisvolles
Universum lugte.
Dann wieder greift Isa Dahl zum quadratischen
Format. Doch auch hier stellt sich ein
Gefühl der Enge ein. Die gewellten
Formationen wölben sich so energisch
auf, dass kaum Luft bleibt. Diese Farbschlingen
bäumen sich auf und wachsen in die
Höhe wie Architektur, sie treiben
weiter wie die Wellen eines Flusses. Selbstbewusst,
kraftvoll und enorm dynamisch sind diese
Bildwelten.
Die einzelnen Schlaufen entwickeln
sich immer weiter, formieren sich zu einer
Armada, in der das Einzelne aufgeht in
einem großen Ganzen, zu einer gemeinsamen
Bewegung wird, die mal kraftvoll in die
Zukunft marschiert, mal wie bei einem
breiten Fluss dahin fließt, immerfort
und ohne Halt.
Wie beiläufig lädt Isa Dahl
ihre Bilder mit enormer Spannung auf.
Denn sie zeigen einerseits Dynamik, Kraft,
die etwas zu bewegen vermag. Sie lassen
aber auch die darin brodelnde Gewalt und
Unausweichlichkeit anklingen, es kann
schließlich sehr ungut sein, wenn
alle gleichgeschaltet in eine Richtung
marschieren. Selbst wenn die Farben hell,
licht, süß sind, grundiert
sie eine Schärfe. Und auch wenn ein
freundlicher, gelber Lichtstreif Hoffnung
weckt, wird doch zugleich unsere Furcht
vor der Unendlichkeit und dem nicht Fassbaren
geschürt.
Dabei erzählen diese Bilder aber
auch vom Wunder der Malerei, die mit nichts
als etwas Farbe auf der Fläche Räume
entstehen lässt. So, wie Daniel Wagenblast
plastische Formen aus dem Holz herausholt,
so vermag auch die Malerei Räume
und Volumen erschaffen, zu denen wir uns
körperlich in Bezug setzen. Die Sprache
gerät hier schnell an ihre Grenzen,
es lassen sich kaum geeignete Begriffe
finden für diese Motive. Diese ästhetischen
Phänomene existieren jenseits der
Sprache und wirken subkutan. Sie zielen
direkt durch ihre sinnliche Intensität
auf unsere Emotionen und be-rühren
uns.
Da ist es also auch wieder, diese
Kraft der Kunst, die erschüttern,
bewegen, uns körperlich in Bewegung
setzten kann und damit letztlich
das Denken anstoßen. Deshalb lassen
Sie sich in die Bilder von Isa Dahl hineinziehen,
um aus sicherer Position heraus am eigenen
Leib erleben zu können, wie leicht
wir uns mitunter mitreißen lassen
von einer Energie, die vielleicht auch
ins Negative umschlagen kann. Spüren
Sie die physische Präsenz der Skulpturen
von Daniel Wagenblast, Setzen Sie sich
in Bezug und Sie werden dabei durchaus
auch etwas über sich selbst erfahren
und die unsichtbaren Kräfte, die
hier auf uns einwirken.
Adrienne Braun
© für
alle Texte liegen bei dem jeweiligen Autoren
|
|
|
|
Eröffnungsrede Dr. Irmgard Sedler,
Von der Möglichkeit einer neuen Wirklichkeit,
Galerie Cyprian Brenner, 2019
Vernissage Isa Dahl, Schwäbisch
Hall 7. Juli 2019
Sehr geehrte Damen und Herren,
hier, inmitten einer malerischen Offerte,
die unsere Sinne zu überwältigen
scheint, halte ich mich an zwei, nennen
wir sie Gesetzmäßigkeiten des
schöpferischen Umgangs mit Wirklichkeit,
die sich auch als Grundkoordinaten für
die Rezeption von Isa Dahls Kunstuniversum
anbieten. Die eine dieser Gesetzmäßigkeiten
hat Hans Jörg Rheinberger, Kulturphilosoph
und ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts
in Berlin im Hinblick auf die Historizität
von kulturellen Symbolräumen und
Bedeutungssystemen so auf den Punkt gebracht:
Alle Innovation ist am Ende in einem
fundamentalen Sinne das Resultat von Repetition.
Und weiter: Auch künstlerische
Repräsentation läuft immer wieder
auf die Ermöglichung von Neuem heraus,
unter den Bedingungen eines differenziellen
Anschlusses an das Gewesene."
Eine andere, dem schöpferischen
Prozess immanente Gesetzmäßigkeit,
betrifft den Umgang mit der Wirklichkeit
an sich. Bestimmte Wesensmomente der gegenständlichen
Welt werden hierbei in die Abstraktion
überführt und gleichzeitig wird
diese ins Abstrahiert-Intellektuelle sublimierte
Wirklichkeit auf künstlerisch-magische
Weise zu einer neuen Wirklichkeit de Sinne
aufbereitet, die uns als neue, künstlerische
Realität gefangen nimmt.
Isa Dahls Werke eignen sich, besonders
aus diesen Blickwinkeln betrachtet zu
werden. Wer sie anschaut, hat im ersten
Moment den Eindruck, er könne den
Malprozess im Geiste nachvollziehen. Man
vermeint, die Künstlerin ließe
den Betrachter, indem dieser den Linien
und Pinselstrichen in ihrem Duktus zu
folgen vermag, an der Entstehung ihrer
Arbeit teilhaben: Diese prägen sich
ihm ein als ein Resultat des mit großer
Sicherheit und Energie vollzogenen gestischen
Malens, authentisch, oft wuchtig, indem
sie auch die unerwarteten Bildzufälle
gekonnt ins Ganze einbinden.
Es wäre aber viel zu einfach,
die Arbeiten einer Isa Dahl in Anlehnung
an das Informel, dessen Einflüsse
auch nicht zu leugnen sind, auf die spontane
Gestik im Malstil zu reduzieren. Die undogmatische
Art ihres Malens, ihr unverkennbar eigener,
als neu erfahrbarer Malstil ist im Sinne
der anfangs angesprochenen Prinzipien
aus Isa Dahls Haltung zu erklären,
dass sie unvoreingenommen an die Grundfeste
der Malerei, auf das Elementare zurückgeht.
Die Künstlerin baut, ohne irgendwelche
kunsthistorische Entwicklungslinien zitieren
zu wollen, einzig und allein auf den seit
jeher geltenden Grundelementen der Malerei
an sich auf: Farbe, Licht, Struktur im
Sinne von Komposition als ein im Ausschnitt
Gefügtes. Das zusammen sind die Ingredienzen,
die Isa Dahl mit einer traumwandlerischen
Sicherheit in der Pinselführung zu
einem malerischen uvre verdichtet,
das in Sachen Ästhetik und geistiger
Erfahrung von Sinnlichkeit was
kein Paradoxon ist seinesgleichen
sucht.
Die deklarierte Vorliebe der Künstlerin
für die Ölfarbe kommt nicht
von ungefähr. Indem sie sich für
die Materialität dieser Art Farbe
interessiert, geraten jene schöpferische
Qualitäten Isa Dahls in den Blick,
die als ein geradezu sinnliches, tiefliegendes
Verständnis für das Wesen dieser
Farbe beschrieben werden kann. Unter dem
breiten, intuitiv sicheren Pinselschwung,
mit dem die Künstlerin ihre an Rahmen
gebundene Bildflächen in einem Zuge
in rhythmischer Gestaltung vollzieht,
fügt sich ihr der flüssige,
in einer besonderen Art lichtreflektierende
Farbstoff bedingungslos unter. In unterschiedlicher
Konsistenz vorbereitet, hat man den Eindruck,
hier ein Zu-sich-selbst-Kommen der Ölfarbe
zu erleben, ganz im Sinne der Auslotung
aller inneren Grenzen, um das Wunderbare,
das im Material verborgen liegt, an den
Tag zu bringen.
Auf der flachen Leinwand eröffnen
sich dem Betrachter plötzlich geheimnisvolle
Tiefenräume. Es tun sich einem Orte
des künstlerischen Wissens zwischen
Erdichtetem, Erahntem und dem Wahren,
dem Wahrnehmbaren auf; Kraftfelder verströmen
sich im wogenden Auf- und Ab, scheinen
über das rigide Geviert eines Bilderrahmens
in Fläche und Raum hinüber zu
fließen; oder aber sie artikulieren
sich explosionsartig im Tondo, das Strukturprinzip
der Zirkularität herausfordernd.
In jüngster Zeit bevorzugt Isa Dahl
die Kreisform, auch weil hier mit den
Möglichkeiten der gegenläufigen
Drehungen experimentiert werden kann.
Und dann sind wir schon dort, wo sich
das Wesentliche dieser Werke artikuliert
bei der Komposition. Das gestische
Malen folgt intuitiv und mit großer
Sicherheit einem von der Künstlerin
verinnerlichten Kompositionsschema, das
die Energie des Malflusses zu binden vermag
und so die Strukturen schafft, welche
Botschaften von Bewegung in sich tragen
und beim Betrachter Ahnungen von bewegter,
energiegeladener Natur auslösen.
Die in mehrschichtig lasuriertem Farbauftrag
dynamisierten Pinselbreitbänder mit
einer subtilen Binnenzeichnung finden
ihre Balance im raumverspannten Zusammenhalt
und geben ein dankbares Terrain für
Assoziationsketten ab: Schlaufenkombinationen,
Wirbel, Netz- und Gitterstrukturen lassen
sich im Auge des Betrachters mal rein
konstruktiv, mal vegetabil besetzen,
etwa als greifbare Darstellung lichtdurchfluteter
Schlingpflanzen oder aber wogender Unterwassergewächse.
Dabei schließt die Bildkomposition,
wie es die Malerin stets dezidiert betont,
jeglichen vorab festgelegten ikonographischen
Sinn aus.
In Wirklichkeit aber schaffen sie
doch nur eine lyrisch verdichtete,
geheimnisvolle Kunstwelt, die fließt
und schwingt, auf- und ausbricht und rückflutet
deren Bedeutungsraum man erahnen
aber nie ganz erfassen wird. Wir haben
es in den Bildern von Isa Dahl mit einer
Kunstrealität zu tun, die neben der
Wirklichkeit in parallelen Schritten daher
geht, sie begleitend und mal be-, mal
entschleunigend wirkt. Es ist eine Kunstrealität,
die sich über all die erwähnten
Assoziationen in der realen Welt spiegelt,
letztlich aber diese in ihrer Essenz,
den Grundkoordinaten alles Existierenden
Raum, Zeit und Licht widerspiegelt.
Und dann das Licht: Im Zusammenspiel
mit der Farbe schafft es in unerschöpflichen
Kombinationen überwiegend eine pointiert
heitere Grundstimmung. Mit Energie überbordend
befrachtet, ist es das Licht, das meistens
harmonisch von Hell bis Grell, seltener
dunkel mysteriös und doch nie schwer,
immer aber in seiner Frische das Werk
Isa Dahls trägt, womit dieses Werk
so dem Kosmos zeitlicher Vergänglichkeit
zu trotzen weiß.
Isa Dahls Arbeiten der jüngsten Zeit
brechen manchmal aus der stimmungsvollen
Gefühlsdichte explosionsartig aus,
sie können gar Gefühlsverbrennungen
provozieren. Brüche markieren das
Lineament der in Wirbeln, Rundungen, Netzen
oder aber im Stufenrhythmus versetzten,
sich überlagernden Schwüngen
der Pinselbänder artikulieren. Irisierende
Farbareale schleichen sich ein und erschaffen
in einer Transformation von real Erschautem
eine abstrakte Komposition, die sich nun
erstmals auch mit den Möglichkeiten
des Abstrakten Expressionismus auseinandersetzt.
Damit geht Isa Dahls Malerei jenseits
der aus Raum und Zeit nur scheinbar herausgehobenen
ästhetischen Autonomie ganz unprogrammatisch
den grundlegenden Fragen zur Möglichkeit
der Kunst in Bezug auf die Reflektion
der Zeit, in der sie entstanden ist, nach.
Isa Dahls Bildkompositionen lenken den
Blick des Betrachters, wie anfangs festgestellt,
auf den Mal-Akt selbst. Die Führung
des Pinselstriches im Ablauf von Zeit
ist für den Betrachter nachvollziehbar,
hin und wieder auch der Ansatz der zweiten
und dritten transluzid gehaltenen Farbschicht.
Jede Handlung [auch die malerische]
hat etwas von einer Erfindung
ich zitiere hier aus dem grundlegenden
Werk von Georg Kubler The Shape of Time/
Die Form der Zeit, von 1962 Es
gibt keine zwei Dinge oder Handlungen,
die als identisch angesehen werden können,
weil sie sich von den zeitlich davor und
dahinterliegenden Erfindungen unterscheiden.
Insoweit erscheint auch jeder Pinselstrich
im Bild als eine Fortführung des
Vorherigen und eine Vorwegnahme des Künftigen,
wobei das Wissen und die Ahnung kultureller
vorheriger Erfahrung einer Signatur gleich,
ins malerische Handlungsmuster, hier in
den Pinselstrich mit einfließen.
Die, mal breite, mal gratig schmale
Pinselführung rhythmisiert den Blick
des Betrachters. Sie zwingt ihn, ihr über
die ganze Bildfläche zu folgen. Der
Blick übernimmt und verinnerlicht
somit umgehend in einer Transferfunktion
der Farb- und Lichtbewegung die Magie
des Bildraums, der einen bei Isa auf eine
ganz besondere Weise gefangen nimmt. Zweidimensionalität
schlägt um in die Illusion räumlicher
Wahrnehmung und die Bilder beginnen plötzlich
zu pulsieren.
Denn, in diesen Bildräumen findet
Narration statt über die Nacherzählung
des Mal-Aktes, im Fluss des Pinselstrichs
erzählt sich Zeit selbst. Zeit schreibt
sich als Farb- und Blickfluidum im vom
Rahmen begrenzten Bildrechteck, im Tondo
oder aber in den Blickwinkelwelten der
Dreieckgemälde ein.
Es entsteht so ein wirkungsmächtiges,
malerisches Essay rund um Zeit, Raum und
Licht, in dem die von der Künstlerin
in die Bildfläche gesetzten, ureigenen
Signaturen, die Magie romantischer
Hieroglyphenschrift, um mit Jaques
Rancière zu sprechen, verströmen.
Isa Dahl beteiligt sich auf ihre ganz
eigen Weise letztlich an nichts Geringerem
als an der großen zeitgenössischen
Narration von Kunst und Menschheit, auf
dass die Geschichte des Menschen weitererzählt
werden kann, mitsamt der Poesie, die das
Geheimnis in die Welt schreibt, ohne es
zu verletzen.
Dr. Irmgard Sedler
© für
alle Texte liegen bei dem jeweiligen Autoren
|
|
|
|
Dr. Sabine Heilig: Textauszug
aus Katalog Isa Dahl JETZT , 2013
Über den Umgang mit der Farbe
Ich mache nichts anderes als
zu malen und wenn ich nicht male, dann
denke ich darüber nach.
(Isa Dahl 2012)
Ob Naturraum oder Stadtraum, Isa Dahls
Blicke fallen auf Unspektakuläres,
Kleinigkeiten am Wegesrand, städtische
Winkel, Orte, die meist als uninteressant
und belanglos links liegengelassen oder
übersehen werden. Von diesen Orten
macht sich die Malerin ein Bild, oft mit
dem Fotoapparat, dessen Aufnahmen ihr
als Erinnerungsspeicher dienen.
Das Thema der Zeit, das in der Expressivität
ihrer Malerei, in der dargestellten Bewegung
im Bild sowie in der Vorstellung des abgelaufenen
Entstehungsprozesses Ausdruck findet,
ist ein wesentliches Element ihrer Malerei.
Isa Dahl malt konzentriert, mit weit ausholenden
Gesten, die das Bildmaß abmessen.
Körpergefühl und Bildgefühl
sind bei Isa Dahl eins. Ihr Tempo bestimmt
das Tempo des Bildes, das in einem Zug,
ohne lange Unterbrechungen gemalt wird.
Korrigiert wird nur im Malprozess selbst.
Im In-, Über- und Untereinander der
Pinselbahnen und Farbschichten, im streifigen,
verwischenden und sich konzentrierenden
Liniengeflecht manifestiert sich ihre
unverkennbare und ganz individuelle Sprache.
Mit der Spur eines Goldfisches im Wasser1
könnte man sie vergleichen oder mit
dem Flug einer Fliege, die kreisend ihren
Landeplatz taxiert.
Isa Dahl geht nahe heran an ihre Motive.
Der Betrachter verstrickt sich in ihren
atmenden Linienschwüngen, wird hineingezogen
ins Bild. Ihre Bilder betrachte man nicht
einfach, sondern man würde von ihnen
aufgenommen2, heißt es. Die Farben
pulsieren, der Bildraum bewegt sich vor
und wieder zurück. Trotz allem nach
außen hin so scheinbar Impulsiven
muss klar sein, dass Isa Dahl eben keine
intuitive Malerei betreibt. Kleine Zeichnungen
mit Tusche, in Pastellkreiden oder Buntstiften
bereiten die Kompositionen vor. Die Skizzen
dienen der Systematik des Bildaufbaus.
Dabei lässt sich die Malerin in ihrem
Tun von der Farbe und ihren Eigenschaften
leiten. Wichtig ist ihr, ...
nur dieses Umgehen mit der Farbe, wie
sie reagiert, wie sie ineinanderfließt
oder hart nebeneinandersteht, wie sie
riecht, das ist einfach alles wunderbar3,
sagt sie darüber. Isa Dahl verwendet
keine reinen Farben, sondern Farbmischungen,
die auf der Leinwand zu wieder neuen Mischungen
vermalt werden. Ihre Palette besteht überwiegend
aus den Primärfarben Rot und Gelb
sowie den Sekundärfarben Grün
und Orange. Also Farben, die als warm
(Rot) und lichtvoll (Gelb) oder fruchtbar
(Grün) beschrieben werden.
Allein die vielen farblichen Abstufungen
innerhalb der Bilder von Isa Dahl, welche
die verwendeten Farben einander annähern,
spiegeln den Facettenreichtum ihrer Malerei
und das breite Spektrum ihrer Wirkungen.
Die luziden Farbschichten in ihren Bildern,
aus denen heraus das Licht den Bildraum
gleichmäßig ausleuchtet, erzeugen
eine räumliche Spannung. Sich konzentrierende
Farbspuren und schlieren lenken
den Blick des Betrachters zu immer tiefer
liegenden Bildschichten. Die Unendlichkeit
des Bildraumes, die die Künstlerin
mit dieser Art der Malerei erzeugt, macht
selbst vor den Begrenzungen der Bildfläche
nicht halt. Formabbrüche und überschneidungen
am Bildrand bewirken einen ausschnitthaften
Eindruck.
1 Isa Dahl in: Katalog SüdWestGalerie
2002, S. 21
2 Zur Ausstellung der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen,
2012
3 Katalog der Stadt Waiblingen, 2003,
o.S.
© Dr. Sabine Heilig, Nördlingen
About interacting
with colour
I dont
do anything except paint. And when I am
not painting, I am thinking about painting.
(Isa Dahl 2012)
Whether nature
or urban space, Isa Dahls glance
falls on unspectacular, trivial things
at the roadside, in dark corners of the
city, places that are usually uninteresting
and forgotten or that have simply been
overlooked. The artist often takes pictures
of such things and uses these images to
remind her.
The subject of time is a fundamental element
of her art work, expressed by the eloquence
of her painting and in the movement depicted
in her work, as well as in the creative
process itself. Isa Dahl paints in a very
concentrated way, with wide sweeping gestures
that measure the dimensions of the image.
For Isa Dahl, body and image are one.
Her speed determines the speed portrayed
in the image, which is painted in one
long stroke without any long pauses. Corrections
are only carried out during the painting
process itself. Her unmistakeable and
unique style manifests itself in the in,
over and overlapping of the brush strokes
and layers of colour, in streaks, disappearing
and concentrated webs of lines. One could
compare them to the trail of a goldfish
in water,1 or with the flight of a fly
circling down to its chosen landing place.
Isa Dahl gets up close to her subject.
The observer gets lost in her brush strokes
and is drawn into the painting. It could
be said that one cannot simply look at
her paintings, but rather that one is
absorbed by them.2 The colours pulse,
and the spatial dimensions of the image
appear to make it move forwards and backwards;
but despite their seemingly impulsive
aesthetic, it must be made clear the Isa
Dahl is not an intuitive painter. Small
drawings in Indian ink, pastels or coloured
pens help to prepare the composition.
The sketches serve as part of the systematic
development of an image. Although, the
artist does let herself be influenced
by the colours and their own distinct
characteristics. It is important that,
... this interaction with colours,
how they react, how they flow into one
another or exist next to each other, how
they smell, that is all simply wonderful3
says Isa Dahl. She uses no pure colours,
but rather mixtures of different colours
that in turn are mixed anew when applied
to the canvas.
Her palette comprises mainly the primary
colours red and yellow, as well as the
secondary colours green and orange. So
colours that can be described as warm
(red) and bright (yellow) or fertile (green).
In Isa Dahls paintings, just the
shades of colours alone bring the solid
colours closer together and reflect the
multifaceted nature of her paintings and
the wide spectrum of their effect. The
spatial tension in her paintings is created
by lucid layers of colour, which emit
an even light from within the spatial
depths. Concentrated traces of colour
and streaks of paint control the perspective
of the observer, guiding them towards
the deeper layers within the image. The
infinity of the spatial dimensions, created
by the artists painting style, is
not controlled by the boundaries of the
canvas. Interruptions in the style and
overlaps at the edge of the paintings
give them an almost cut-out
appearance.
1 Isa Dahl in:
Katalog SüdWestGalerie 2002, S. 21
2 Zur Ausstellung der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen,
2012
3 Katalog der Stadt Waiblingen, 2003,
o.S.
© Dr. Sabine
Heilig, Nördlingen
|
|
|
|
Isa Dahl zeigt drei ihrer
seriellen Werkgruppen in den Räumen
des Museums: Augenblicke lang
die tondoförmigen Rundbilder eben
still, und Arbeiten aus der Serie
in Sicht
Bereits an den Titeln ist der transitorische
Charakter ihrer Bildmotive ablesbar.
In den Rundbildern wird der Blick des Betrachters
durch eine undefinierte, aus dem Zentrum
gerückte Leerstelle fokussiert.
Der Tiefenraum wird darüber hinaus
durch die für Dahls Malweise charakteristische
Lasurtechnik und die räumlichen Überlagerung
der Strukturen erzeugt, die zum Bildhintergrund
hin unscharf werden. Auf diese Weise entsteht
ein perspektivischer Raumkörper, von
dem der Betrachter angezogen und mehr noch:
in den er hineingesogen wird. Die runde
Bildform, rotierenden Strukturen als auch
die Blickführung des Betrachters sorgen
für einen konzentrierten energetischen
Ausgleich von Ruhe und Dynamik, Stabilität
und Labilität: eben still.
In Augenblicke lang wird die
Wahrnehmung des Betrachters nicht durch
einen Blickanker fokussiert,
vielmehr wird vor allem in einigen
Bildern der hochrechteckigen Formate
der Bildraum in seiner ganzen Weite entfaltet
und durch die ausholende Gestik der Pinselstriche
aufgeladen. Dies geschieht vor einem Hintergrund,
dessen abstraktfarbiges Changement die bis
zur Dramatik gesteigerte Expressivität
der Pinselstriche als leuchtende Folie mit
unbestimmter Räumlichkeit hinterfängt.
Im Vergleich zur Serie eben still
wirken die verschlungenen Strukturen weniger
fest umrissen, labiler, spontaner, gestischer,
tritt die Formulierung der Strukturen als
brushstrokes, als reine Malerei
stärker in den Vordergrund. Augenblicke
lang sind gestische Erzählungen
ohne Anfang und ohne Ende, sind scheinbar
zufällig gewählte Ausschnitte
aus der Flut des Vorhandenen und Gesehenen.
Verdichtung und Expansion im Kontext von
Farb- und Strukturräumen diesen
Grundverfassungen bildnerischen Gestaltens
begegnen wir in den unterschiedlichen Werkgruppen
Isa Dahls immer wieder aufs Neue. So zeigt
die Serie In Sicht der Schwerkraft
unterworfene, hängende Geflechte von
großer Leichtigkeit. Auch wenn die
Binnenräumlichkeit dieser Arbeiten
den Betrachter an nestartige Gebilde erinnert,
sollte ihn die Darstellung eines vermeintlich
konkreten Bildgegenstandes nicht über
die genuin malerischen Intentionen der Künstlerin
hinwegtäuschen. Auch in dieser Serie
geht es Isa Dahl um die Auslotung eines
raumzeitlichen Bildkontinuums durch Form
und Farbe, um labile Gleichgewichtszustände,
hervorgerufen durch die an sich paradoxe
Arretierung flüchtiger Momente im Medium
des Tafelbildes, um die konkrete Präsenz
und körperlich erfahrbare Intensität
leuchtender Farbräume.
© Dr.
Velten Wagner, Kunstmuseum Engen
aus dem Katalog: Blow Up, Hrsg.Städtisches
MuseumEngen + Galerie, 2006.
|
|
|
|
Wenn man Isa Dahl zunächst
den abstrakt arbeitenden MalerInnen zuordnen
würde, drängt es sich auf, das
Gemälde mit diesem Bild aus der Natur
zu beschreiben. Isa Dahl nutzt in ihren
Arbeiten gerade dieses Changieren zwischen
Abstraktion und Realitätsbezug für
eine differenzierte Beschäftigung mit
Farbe, Raum und Struktur in der Malerei.
Sie arbeitet in einer Lasurtechnik, die
ein schnelles und konzentriertes Handeln
verlangt. Schicht um Schicht der transparenten
Farbe wird aufgetragen. In ihren Gemälden
erreicht sie dadurch eine enorme Bildtiefe
und große Leuchtkraft.
Dies kann das Thema von Licht und Dunkel
sein, das sie noch vor einigen Jahren intensiver
beschäftigt hatte, oder die Auseinandersetzung
mit der spezifischen Leuchtkraft jeder einzelnen
Farbe und ihrer Möglichkeiten, wie
dies in den jüngeren Bildern zu beobachten
ist.
© Dr.
Matthia Löbke, Kunstverein Heilbronn
aus dem Katalog: European art from Germany,
20 Positionen zeitgenössischer Malerei,
Hrsg. ECB Europäische Zentralbank
Frankfurt am Main, 2004.
|
|
|
|
Isa Dahls Bilder handeln
nicht nur von der Malerei als Malerei; sondern
die Art der Darstellung ist von entscheidender
Bedeutung, spielt sie doch mit Errungenschaften
der Klassischen Malerei, deren Tradition
sie aufgreift und in einen neuen Kontext
setzt.
Es geht um die Wirkung von Farbe als autonomes
Medium und um die Erzeugung von Wirklichkeit,
die eine gewisse Verwandtschaft zu Sehmustern
besitzt, die in unserem Hirn gespeichert
sind.
© Dr.
Helmut Herbst, Waiblingen
aus dem Katalog: Isa Dahl, eben still,
Städtische Galerie Kameralamt,
Waiblingen, 2003.
|
|
|
|
Isa Dahl baut ihre Bilder
aus unzähligen Farbschichten auf. Schlieren,
Wischer, Einschlüsse, die Spur des
Pinsels , der bewegte, schnelle Duktus -
all dies sind wesentliche Elemente der Bildgestaltung;
rücken den Malprozess in den Mittelpunkt
der künstlerischen Intention und auch
der Seherfahrung des Betrachter.
Die Farbe ist für Isa Dahl nicht
einfach deren farbliche Erscheinung.
Es interessiert sie gleichwertig ihre
Materialität, Konsistenz, Dichte,
Oberfläche, Räumlichkeit, Bewegung
und Lichtfülle, aber auch deren Verhältnis
zur Textur des Bildträgers, die simultane
Vielfalt oder die sinnliche Wirkung der
Farben, d.h. die Arbeit mit und das Erlebnis
der Farbe sind das Primäre.
Eine mehrfach strukturierte entstofflichte
Bildräumlichkeit entsteht, aus deren
Tiefe ein geheimnisvolles, farbiges Leuchtlicht
geheimnisvoll aufscheint. Der Blick wird
in das Bild hineingezogen und ruht doch
immer wieder auf der Oberfläche der
letzten glänzenden Malschicht. Es
ist dieses geheimnisvolle Leuchtlicht,
das Isa Dahls Gemälden eine eigentümliche,
verweisende Intensität verleiht.
Es entstehen Werke, die Stille einfangen,
die Stille speichern und diese Stille
wieder ausströmen.
Die Polivalenz dieser Bilder zwischen
Erinnerung und malerischer Auflösung,
zwischen Erscheinung und Orozess, zwischen
Farblicht und Oberfläche, Raumtiefe
und Struktur, zwischen reiner Malerei
und Transzendenz ist es, die ihnen zugleich
Eigenständigkeit wie Zeitbezug verleiht.
© Christoph
Bauer, Kunstmuseum Singen
aus dem Katalog: Isa Dahl. Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendium
2000,
Farbe, Licht, Raum, Struktur.Einige
Bemerkungen zur malerischen Intensität
Isa Dahls, 2000.
|
|
|
|
Die Einfachheit der Formen
in Isa Dahls Bildern überrascht, ja
verblüfft, weil zugleich die malerische
Wirkung -von der Fläche in den Raum
hinein- ganz außerordentlich ist.
Das Spiel der Farbe um die Kontur, die Lichtfugen,
die diszipliniert verlegt sind, der Tiefenraum,
der von der Künstlerin erzeugt wird,
das alles macht dir seltsam ruhige Ausdruckskraft
der Bilder aus.
© Günther
Wirth
aus dem Katalog:Räume Innen Aussen
Räume Der Raum als Bildwirklichkeit,
Esslingen, 1997.
|
|
|
|
Isa Dahl arbeitet seriell
und stur an Strukturen und Zwischenräumen.
Das Thema wird in einer beispielhaft radikalen
Systematik aufgegriffen und durchgespielt.
DasErgebnis, als Hell-Dunkel-Kontrast einfachster
Strukturen in.Naß-in.Naß-Technik
erzeugt, ist simpel, in sich logisch und
klar. Immer sucht sie nach der Farbtiefe,
nach dem imaginären Bildraum. Es ist
nur pure Malerei, ist nichts
als Abstraktion.
© Dr.
Helga Meister, Düsseldorf
aus dem Katalog: Das banale Schöne,
Isa Dahl-Lichtgründe,
Düsseldorf, 1997.
|
|
|
|
....Die Dahl erfindet
die grüne Stunde. Grünschwelende
Zeit, wenn der Abend noch nicht Nacht geworden
ist. Mit all ihren grünen Schmetterlingsnetzen
und Fischreusen stellt die Dahl Fallen und
fängt Geheimnis ein. Gut tuende und
keineswegs langweilige Stille verfängt
sich in Isa Dahls Netzwerk. Schatten, Böcklinische
Zypressen-Schattenreiche verfangen sich
in den Dahl-Farb-Maschen.
© Joachim
Burmeister
aus dem Katalog: Isa Dahl- Nach Firenze,
Katalog, Das Florenz der Isa Dahl,
hg. Staatliche Akademie der Bildenden
Künste Stuttgart, 1996.
|
|
|
|
Intensives Arbeiten,
umfangreiche Bilderserien - nichts skizzenhaft
Unfertiges, immer ausgeführte Taten.
Von einer Grundfigur abgelöste Einzelvorstellungen
werden durch das Malen neu verschmolzen.
Das permanente malerische Handeln ist das
Entscheidende.
Es ist keine Malerei der Einfälle,
der vorgeführten oder verborgenen Inhalte.
Verborgen wird die Bildtiefe, gezeigt wird
der Pinselstrich.
Der minimal eingesetzte Illusionismus bewirkt
eine Oberflächenvergrößerung
für die Entfaltung einer malerischen
Struktur.
Wirklichkeitszitat und Selbstbehauptung
der Malerei verbinden sich und werden durch
das all over painting mit dem Format verklammert.
Die Bilder werden zunehmend komplexer, eigenartiger,
dabei malerisch reiner, großzügiger.
... eine geistige Produktion, die sich selbst
zu verproviantieren beginnt, ohne anämisch
zu werden...
( Ludwig Hohl, Vom Arbeiten Bild )
© Dieter
Krieg
aus dem Gutachten zum Graduiertenstipendium
des Landes Nordrhein-Westfalen, 1993.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|