Isa Dahl

 

 

  Adrienne Braun, Eröffnungsrede Zeit und alles am 23. September 2021

Ich freue mich, dass ich schon wieder hier sprechen darf, auch wenn es eine Herausforderung der besonderen Art ist. Denn es ist nicht meine erste Rede über die Arbeiten von Isa Dahl und Daniel Wagenblast. Schon mehrfach habe ich mich verführen lassen von den Malereien von Isa Dahl, die einen förmlich hineinzieht in ihre Bilder. Sie malt Schlaufen und Schlingen, breite Farbstreifen, die Bänder oder Blätter sein könnten, Florales oder ein gummiartiges Gewebe. Mit köstlichem Schwung setzt sie diese Bänder in Bewegung, bringt die Leinwand zum Pulsieren, ja Beben.
Rhythmen tänzeln über die Fläche und scheinen einen mitzunehmen in ihrem selbstsicheren Takt. Manchmal scheinen einen die Wellen und Schlingen aber auch wie fleischfressende Pflanzen zu ködern, als wollten sie uns einwickeln, uns mit Tentakeln umschlingen und fortreißen in die Endlosigkeit, in der ewige Bewegung und stetes Pulsieren regieren. Isa Dahl scheint uns in schaurig-schöne Welten zu entführen, abgründig und geheimnisvoll.
Dem Gegenüber wie ein Kontrapunkt der nassforsche Daniel Wagenblast, der auf sein Publikum zugeht, es auch mal mit hölzernen Pistolen herausfordert. Seine Skulpturen sind Setzungen, selbstbewusst geäußerte Objekte, die er der Welt vor die Nase knallt: Hier bin ich, jetzt bist du dran. Deshalb spielen Hände eine wichtige Rolle in seinem Werk, sie wachsen wie aus dem Nichts aus den Wänden heraus, um uns etwas darzubieten. Was hat er uns nicht schon alles präsentiert: Autos und Panzer, nackte Figuren und Plastikflaschen. Motive, mit denen er uns spiegelt: Seht her, das ist die von euch gemachte Welt.
Hände aber auch bei seinen Figuren und fast szenischen Skulpturen, Hände, die aktiv sind, zum Schwert, zum Messer greifen, zur Pistole oder mit ihrer riesenhafte Pranke kurzerhand menschliche Gestalten packen und in ihre Gewalt bringen. Diese Hände stehen synonym für das menschliche Tun, unser aller Tun. Im Kosmos von Daniel Wagenblast sind im Grunde wir die Akteure.
Der Kunstbetrieb stürzt sich fast zwanghaft auf Innovationen. Er richtet sein Augenmerk auf das, was sich vom Vorausgegangenen abhebt. Heute würde man vermutlich von Unique selling point sprechen, vom Alleinstellungsmerkmal. Künstler werden als Marke gehandelt, die für etwas stehen, stehen müssen. Duchamp war der mit den Ready-Mades, Beuys der mit dem Fett, Abramovic mit dem Schmerz.
Das hat einerseits mit dem Impuls der Kunstwissenschaft zu tun, die Dinge zu kategorisieren und künstlerische Positionen in eine Chronologie der steten Weiterentwicklung zu bringen. Kunstgeschichte ist die Geschichte der ewigen Innovation, des steten Überwindens dessen, was vorausgegangen ist.
In diesem Vorgehen spiegelt sich aber auch unser aller Bedürfnis, die Welt zu verstehen und sie dazu in griffige Päckchen zu packen, die wir in Schubladen ablegen können. Es ist uns kaum möglich, komplexe Phänomene in ihrer Gänze, mit sämtlichen Ambivalenzen und Referenzen zu erfassen, weshalb wir sortieren, systematisieren – und dabei auch immer erst das Augenmerk auf das richten, was uns vertraut ist, um sich dann dem Unbekannten, Neuen anzunähern.
Je komplexer die Welt wird, das zeigt sich derzeit in vielerlei Hinsicht, desto größer das Bedürfnis nach einfachen Erklärungsmodellen, nach simplen, schlagenden Thesen, die dann am besten lautstark vorgetragen werden, damit jeder Zweifel, jeder Hinweis auf eventuelle Widersprüche übertönt wird.
Warum sage ich das? Weil dieses Vorgehen einem künstlerischen Werk nur bedingt gerecht wird. Denn ein Leben, auch ein Künstlerleben ist lang und von vielen Phasen und Methoden begleitet, sodass sich das eigene Schaffen keineswegs auf einen Nenner, auf diese eine innovative Schöpfung beschränken lässt, auf das, worauf die Nachwelt das Werk dann gegebenenfalls reduziert.
Auch im Schaffen von Isa Dahl und Daniel Wagenblast existieren zahllose Facetten und Schattierungen, es entwickelt sich fortwährend weiter, so, wie auch hinter jeder einzelnen Arbeit selbstverständlich ein Prozess steckt. In Ausstellungen sehen wir gewöhnlich nur das Ergebnis, das, was im Grunde die Marke definiert und festigt. Prägnant, griffig, konzise. Und ich als Rednerin leiste dieser Reduktion letztlich Vorschub, indem ich benenne, was den Unique selling point ausmacht. Im Journalismus spricht man von Küchenzuruf, mit dem die Autoren vorab in der Konferenz die Botschaft ihres Artikels auf den Punkt bringen. Kurz und knackig.
Die Marke, die nach außen getragen wird, zeigt aber immer nur die halbe Wahrheit. Wenn Sie sich hier im Raum umschauen, erleben wir ausnahmsweise, dass sich Kunst nicht mit einem schnellen Küchenzuruf auf den Punkt bringen lässt. Isa Dahl und Daniel Wagenblast haben die Architektur mit Fahnen unterteilt, also zerschnitten – und damit das aufgebrochen, was doch selbstverständlich die Kunstrezeption ausmacht: Hier die Wand mit Werken, dort die Rezipienten.
Und schon schmelzen die Gewissheiten dahin und winden sich die beiden Künstler aus dem festen Griff, mit dem sie im Kunstbetrieb als Marke verhandelt werden: Hier die Malerin, dort der Bildhauer. Stattdessen geben sie uns Einblicke in das, was sie noch sind: Daniel Wagenblast fotografiert, zeichnet, collagiert, er arbeitet nicht nur mit dem Griffel, sondern auch mit dem I-Pad. Auch Isa Dahl macht Zeichnungen, Skizzen.
Und weil diese Vielfalt auch zu ihnen gehört, haben sie sie in die Galerie mit hineingeholt – um zu zeigen, was hinter der Marke steckt, die hier ja auch schon mehrfach ausgestellt war und also als feststehender Begriff fortgeschrieben wurde. Dass wir nun die verfremdeten Stuttgart-Ansichten, die Collagen aus Fotografie, Zeichnung, Schrift und Skulptur oder auch die Detailaufnahmen aus Isa Dahls Gemälden oder Schwarzweiß-Zeichnung auf Fahnen präsentiert bekommen, ist ein konzeptueller Wink: Der flüchtige Stoff als Antipode zur zeitlosen Leinwand, zur handfesten Holzfigur, zum griffigen Aluminiumguss. Der Stoff als ein vager, beweglicher Bildträger, nicht auf ewig zementiert, sondern als Vorschlag und auch als leiser Protest gegen das fertige Artefakt, das der Kunstmarkt einfordert.
Besonders überraschend für mich sind die Arbeiten im Obergeschoss, bei denen sich Isa Dahl und Daniel Wagenblast endgültig den Kategorisierungen und dem ewigen Labeln entziehen: Es sind Gemeinschaftsarbeiten.
Natürlich erkennen wir schnell den Duktus von Isa Dahl, diese gewellten, sich wölbenden Formationen, die zahllosen zarten Linien, die sich zu einem größeren Ganzen verbünden wie eine Armada, in der das Einzelne aufgeht in einer gemeinsamen Bewegung. Und zugleich das Wunder der Malerei, das auf der Fläche Räume zu schaffen vermag: Die Farbmaterie wird plastisch, drängt sich uns entgegen, taucht dann wieder ab in die Enge ungreifbarer Untiefen. Mitunter wirken diese Bilder wie Reliefs, wie Raumkunst, grad so, als wäre Isa Dahl die Bildhauerin.
Das Prozesshafte ist ein wesentliches Motiv dieser Gemeinschaftsarbeiten, bei denen Isa Dahl auf der Pappe etwas hinterlässt, das Daniel Wagenblast fortsetzt. Auch hier wieder Hände, die nach der Kunst greifen, sie packen, festhalten wollen. Dann wieder nutzt er die Motive, um sie assoziativ weiterzuentwickeln: Da marschiert ein fröhlicher Elefant über den Erdball oder wird das verschlungene Liniengeflecht zur Blüte einer Blume.
Diese Arbeiten erlauben sich, spielerisch zu sein, sie spielen auch kess mit der eigenen Marke, dem eigenen an sich so ernsthaften Ansinnen, Werke zu schaffen, die vollendet sind, also kongenial Form und Inhalt verbinden, präzise durchdacht und durchgearbeitet sind. Die Pappe als schäbiger, billiger Bildträger gemahnt, dass Kunst sehr wohl auch diese Leichtigkeit besitzen kann, eine Lebendigkeit, Offenheit, Freiheit.
So zeigen uns die beiden, dass künstlerische Positionen immer auch ein Vorher und Nachher haben. Besser könnte man dieses Verständnis von Welt kaum vermitteln als es Isa Dahl in ihrer Malerei tut. Alles fließt, wächst und wuchert weiter, drängt voran, mutiert und wandelt sich. Auf ihren Bildern tauchen wir ein in diesen ewigen Strom, der keinen Halt bietet, kein Verharren, der niemals stoppt und behauptet: So, wie die Dinge in diesem kurzen Moment sind, sind sie wahrhaftig und verlässlich.
Nein, das Hier und Jetzt, der Moment, den wir, wenn es nach Achtsamkeitstrainern geht, doch immer ganz bewusst erleben sollen, es gibt ihn nicht. Es gibt kein Jetzt, sondern nur den Übergang vom Vergangenen ins Zukünftige.
Deshalb beschränken sich die Motive von Isa Dahl auch nicht auf die Leinwand, sondern scheinen sich jenseits des Bildrahmens fortzusetzen. Es ist genau dieser kleine Ausschnitt, den wir als Gegenwart bezeichnen, den sie hier einfängt, um doch mit der Energie, die uns förmlich mitreißt, spüren zu lassen, dass der Strom weiter fließt, dass Sein ein stetes Vorangehen meint. Das Sichtbare verweist hier auf etwas, das jenseits stattfindet, und groß und endlos zu sein scheint.
Damit benennt diese Ausstellung sehr präzise die Eckpunkte, die unser Sein markieren. Einerseits hineingeworfen in ein vielschichtiges, widersprüchliches, nicht zu fassendes Universum – und andererseits das hilflose Bemühen, selbst Akteur zu werden, Kontrolle zu erlangen, indem man tätig wird, Fakten schafft, eine vermeintlich wahre Existenz konstruiert, wie Daniel Wagenblast es uns spiegelt. Das Messer, das bei ihm immer wieder auftaucht, ist auch ein Symbol für das Bemühen, kleine, handliche Ausschnitte von Welt herauszuschneiden, um sie leichter fassen zu können. Und dort, wo das nicht gelingen mag, nutzt man die Macht des Messers, um das Störende, Befremdliche, allzu Komplexe kurzerhand auszulöschen.
Letztlich bleibt es aber ein vergeblicher Versuch, Übersicht zu bekommen. Die Aluminiumfiguren von Daniel Wagenblast mögen sich bemühen, das große Ganze zu erfassen, ihren Platz zu definieren im komplexen Gefüge von Sonne, Erde, Mond und dem, was dahinter kommt. Aber selbst wenn sie die Erde kess unter den Arm klemmen oder stolz auf ihr thronen, so ist es doch reine Hybris, sich vorzumachen, wir bekämen das Universum und unsere kleine Existenz darin jemals in den Griff.
So bleibt mir nur, Ihnen Mut zu wünschen, die Bereitschaft, sich – vielleicht nicht nur beim Rundgang durch die Ausstellung – freizumachen vom allzu menschlichen Impuls, die Dinge kategorisieren zu wollen, sie festzuzurren, sie mit kräftiger Hand zu packen und ihnen damit womöglich die Luft abzuschnüren.
Nutzen Sie die Ausstellung als Übung, sich einzulassen, statt sofort in Schubladen zu pressen, das Fließende, Flüchtige zu erspüren, statt nach Marken zu suchen. Ich bin sicher, dieses Experiment von Isa Dahl und Daniel Wagenblast, das uns lehrt, nicht Enge zu suchen und uns ans platte Botschaften zu klammern, sondern die Freiheit zu ertragen, diese Lehre kann die Welt gerade in diesen Zeiten gut gebrauchen.

 

 
 

Gespräch zwischen Isa Dahl und Sabine Heilig im Stuttgarter Atelier
am 6. Oktober 2020

Wie siehst Du Deine bildnerische Entwicklung in den vergangenen Jahren?

Ich traue mir mehr zu. Es war am Anfang tatsächlich schwierig, den Weg in eine eigene Bildwelt zu entdecken, mit einer eigenen Handschrift. Ich habe ja vor vielen Jahren, 1989, z.B. schon mit quadratischen Bildern angefangen mit der Serie Fassade, dann um 1996 weiter mit der Serie NachtRäume. Klar, man überlegt immer, nach jedem Bild, wie man weitermachen kann, wie der nächste logische Schritt aussehen könnte. Also, wenn man sich nicht mehr auf das Wagnis einlässt, das erworbene malerische Wissen immer wieder aufs Spiel zu setzen, geht es nicht weiter. Aber durch die Erfahrung nimmt die Bandbreite an Dingen, die man ausprobieren will, tatsächlich eher zu als ab.

Du hast einmal beschrieben, dass Du anfangs beleuchtete Fenster im nächtlichen Stuttgart fotografiert hast.

Ach, eigentlich ist diese Idee mit Fassade und Vorhang ursprünglich in Düsseldorf entstanden. Das war so, ich habe ja von Stuttgart nach Düsseldorf an die Akademie gewechselt und zuvor in Stuttgart an der Akademie Kühlschrankbilder gemalt, mit denen ich auch das Staatsexamen gemacht habe. Das waren Bilder von Kühlschränken, die eigentlich leer waren. Sind durchaus auch magische Räume, Kühlschränke.

Realistische Motive?

Nein, das würde ich so nicht sagen. Es waren räumliche Konstrukte, in denen Tuben und gelegentlich auch Eier lagen. Mit denen bin ich damals nach Düsseldorf gegangen und habe sie Dieter Krieg gezeigt, worauf er mich ja auch genommen hat. In Düsseldorf bin ich dann erst mal in der Stadt herumgelaufen und habe mir alles angeschaut. Man merkt ja dort auch die Nähe zu Holland, dass es in den Häusern im Erdgeschoss viele Fenster gibt mit Vorhängen, die kombiniert sind z.B. mit einer Topfpflanze. Der Blick von außen in diesen verstellten Raum,die Strukturen und Muster der Gardinen, das hat mich interessiert. Am Anfang habe ich tatsächlich nicht gewusst, gefällt mir jetzt die Topfpflanze besser oder dieser Vorhang oder was denn eigentlich?
Es gab auch erst einmal die Angst, dass, wenn ich das Inhaltliche verlasse, diese Verankerung zur Realität, dass ich mir dann die Rechtfertigung zu malen wegnehme, weil ich sowieso noch nie ein Geschichtenerzähler war. Um so mehr man auf Inhaltlichkeit verzichtet, um so mehr rückt die Malerei an sich in den Vordergrund und wird zum alleinigen Motiv, sozusagen zum Bedeutungsträger. Das Bild sollte mehr ein gedanklicher Raum sein, in den ich mich hineinbegebe, in dem ich mich befinden und wiederfinden kann. Es war eine Zeitlang mein Ziel, möglichst langweilige Bilder zu malen, in der Hoffnung, dass man, wenn man sie dann anschaut, über sich selbst viel erfährt. Was natürlich ein Stück weit völlig absurd war.

Du sagst ja heute noch, dass die Bilder für den Betrachter „Rückzugsort und Gedankenort“ werden sollen. Das ist der gleiche Ansatz.

Ja, das finde ich schon. Tatsächlich. Aber die Bilder müssen schon Präsenz haben, sonst werden sie nicht gesehen. Wenn man einen musealen Raum hat und man hängt ein stilles, reduziertes Bild rein, dann kann das funktionieren. Aber ich habe eben in den Jahren nach der Akademie festgestellt, dass meine Bilder nicht die nötige Direktheit hatten, sich zu behaupten, zum Beispiel in lauten Räumen, auf Messen beispielsweise. Und das ist natürlich irgendwann ein existentielles Problem, wenn du merkst, dass das Bild im Atelier wunderschön aussieht und alle es toll finden, die es sehen. Doch im Atelier sieht es ja fast niemand. Aber sobald es den Raum verlässt, also diesen Schutzraum, und sobald die Umgebung lauter ist, und alle Bilder um dein Bild herum rufen: Hallo, hier bin ich!, und das eigene Bild ist still, dann wird es nicht gesehen. Ich habe mir dann überlegt, dass ich im Prinzip an ein paar Stellschrauben drehen muss, wenn ich nicht total untergehen will mit dem, was ich mache. Es ging im Grunde darum, wie kann ich z.B. die Leuchtkraft der Farbe steigern? Kann ich dadurch, ohne die Grundintention der Bildidee zu verlassen, das Bild intensiver machen? Kann ich zu der Ruhe eine Bewegung hinzufügen, um eine Fokussierung auf den Ruhepunkt zu erreichen? Das waren die Fragestellungen, weil ich einfach gemerkt habe, dass ich sonst meine Ideen in der Malerei gar nicht rüberbringen kann.
Auf der anderen Seite ist wieder die Gefahr, wenn du farblich – sagen wir mal – so in die Vollen greifst, dass die Bilder nur noch als Dekoration wahrgenommen werden. Es gibt so entsetzlich viele flott gemalte Bilder, die aber nie den Punkt erreichen, an dem man wirklich sagen kann: Jetzt ist das Bild so wie es ist und nicht anders. Ich möchte keine Bilder malen, die so beliebig sind, Salonmalerei eben. Ich muss für mich davon überzeugt sein, dass es so die beste Lösung ist. Alles andere ist dann auch egal. Das versuche ich auszublenden.

Bleiben wir mal beim Malen: Gibt es sie wirklich? „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ – auch in der Kunst?

Ich glaube, dass die Angst des Tormanns vor dem Elfmeter wesentlich geringer ist, als als die Angst des Schützen. Für ihn ist im Falle des Scheiterns die Blamage viel größer, insofern hat Handke hier ein falsches Bild gewählt - vielleicht bewusst ein falsches Bild, weil es in sich nicht stimmt, deshalb zum Nachdenken führt. Würde man als Künstlerin ebenso gefeiert, wie ein Torhüter, der einen Elfmeter hält, wenn einem ein Bild gelingt, wäre das natürlich wunderbar.

Das Zögern zu Beginn, wie setze ich den ersten Pinselstrich?

Der erste Pinselstrich ist nicht das Problem. Aber ich brauche Zeit, bis ich anfange. Zeit, in der in warte und nachdenke, bis ich glaube zu wissen, wie ich beginnen muss. Das ist aber nicht mit Angst verbunden, es geht um eine Idee, darum die richtige Haltung und den richtigen Zeitpunkt zu finden, um zu beginnen. Es ist wie beim Pilzesuchen, am Anfang sieht man oft keinen einzigen und dann plötzlich sprießt es überall.

Und umgekehrt – wann weiß man, wann es genug ist? Wann ist der Punkt erreicht, den Pinsel endgültig niederzulegen?

Man geht zurück und sieht das Bild und es ist da. Das ist das Glück des Gelingens, es sieht dann mühelos und selbstverständlich aus. Egal wie lange es gedauert hat. Wenn sich das nicht einstellt, macht man weiter. Man kann aber nichts mehr zurückholen. Ich male eigentlich so, dass jeder Strich das Bild potentiell beenden kann.

Deine Arbeitsweise ist sehr speziell auf Dein Malmaterial abgestimmt. Oder sollte man es umgekehrt formulieren, das Material gehorcht den Vorstellungen der Malerin? Gibt es denn dabei noch Überraschungen, bzw. kann man nach über 30 Jahren Malerei immer noch Entdeckungen machen?

Malen hat natürlich viel mit Erfahrung zu tun und mit Entdeckungen, die man beim Malen macht. Das betrifft auch das Material. Würde es keine Entdeckungen und Überraschungen mehr geben, würde ich nicht mehr malen.
Die Weite der malerischen Möglichkeiten ist unbegrenzt. Die Möglichkeit, etwas zu entdecken, nimmt eher zu als ab im Laufe der Jahre.

Ist es auch eine wichtige Frage, welche Form der Malgrund hat? Z.B. das Tondo, das Rundbild? Ist es so, dass man das Konzept, dass man über die Jahre entwickelt hat, immer mehr auf den Punkt bringt?

Was ich spannend finde ist, wenn man z.B. das Quadrat im Format ein Meter mal ein Meter nimmt – das ist ein Bildformat, das ich so ungefähr seit 25 Jahren male – wie man sich den gleichen Abmessungen über die Jahre unterschiedlich nähert. Wenn man die Bilder so nebeneinander sieht, eins von heute und eins von vor 20 Jahren, kann ich eigentlich nicht sagen, dass ich die früheren von vor 20 Jahren nicht mehr mögen würde. Tatsächlich weiß ich noch ziemlich genau bei jedem Bild, das ich gemalt habe, wie ich es gemalt habe.

Wie viele Bilder hast Du denn in Deinem Leben schon gemalt?

Ganz bestimmt schrecklich viele.

Du bist immer experimentierfreudig, wenn ich überlege, dass Du etwas machst, dass kaum jemand macht, z.B. Bilder in Rautenform, die auf die Spitze gestellt sind, oder auch ovale Bilder.

Was eigentlich ganz interessant ist. Und ich würde auch sagen, dass all diese Sachen gar noch nicht abgeschlossen sind. Aber tatsächlich komme ich immer wieder auf das Quadrat oder auf die Kreisform zurück. Das sind einfach in sich gültige Formen. Die Kreisform ist etwas Unendliches und das Quadrat der Inbegriff der abstrakten Form.

Das Quadrat hat etwas Architektonisches, weil man es im Bezug zur Wand sieht.

Ja, das stimmt, und ein Querformat zum Beispiel hat auch immer etwas Landschaftliches … . Aber es einfach interessant, etwas auszuprobieren. Ich habe mir mal so lange Rauten gebaut und die lagern jetzt. Es ist natürlich auch so, dass es manchmal ein logistisches Problem ist. Die Raute muss, um eine vernünftige Fläche zu haben, riesig sein. Sie wird unglaublich schwer. Und das hält mich ein bisschen davon ab, weil dann auch die Leichtigkeit, damit umzugehen, verlorengeht.

Aus der Sicht des Betrachters kann ich einer Kollegin recht geben, die beschrieben hat, vor Deinen Bildern sollte man sich einen festen Stand suchen.

Alles ist Veränderung unterzogen, manchmal abrupt in einem benennbaren Ereignis, die meisten Veränderungen geschehen aber langsam, fast unmerklich. Ich versuche, in der Zeit selbst zu bleiben. Auch das Innehalten, zum Beispiel in der Betrachtung eines Bildes, ist kein Stillstand, jeder Moment ist der Vergänglichkeit unterworfen, so gesehen ist alles im Fluss. Ein Bild ist eine Projektionsfläche der eigenen Wahrnehmung, der eigenen Gedanken und ihrer Veränderung.

Du arbeitest immer in Werkgruppen, z.B. Augenblicke, lang, eben still, zwischen und, In Sicht, nur so, wanderung oder zuletzt als ob hast Du sie unter anderem genannt. Wie kommst Du auf diese Werktitel?

Die Serientitel kommen einfach irgendwoher. Wenn mir etwas einfällt, schreibe ich kleine Zettel, manchmal irgendwo in Bücher hinein. Das taucht dann wieder auf oder nicht. Alfred Knecht, Karlsruher Galerist, meinte bei einem Bild, es erinnere ihn an Rousseau - ich verstand nur so.
Die lapidare und dabei zweideutige Aussage, das ist gut, eben nur so, nicht anders und andererseits lässig, ganz einfach selbstverständlich nur so, aus dem Handgelenk sozusagen. So entstand der Titel für diese Serie. Ein Serientitel wie sonst ist ein Hinweis auf die Hintergründigkeit oder auch Abgründigkeit möglicher Assoziationen. Bilder sind ja oft Auslöser für innere Filme, und jeder hat seine eigenen.
Insofern verlagert sich die Deutungshoheit auf den Betrachter.

Deine Motive sind nicht abbildend, haben nicht mit konkreten Erscheinungen wie einem Landschaftsraum oder der Natur zu tun?

Nein, die Motive sind nicht abbildend. Sie sind auch nicht abstrahierend. Malerei hat für mich keine inhaltlich dienende Funktion, sie eröffnet neue Fenster zur Welt- und Daseinsbetrachtung, vielleicht auch als Rückzugs- oder Gedankenort.
Ein Bild aus der Serie Flowers 24hours bildet nicht etwa eine spezielle Blüte oder Blume ab, es vereinfacht nicht eine Form in ein malerisches Kürzel, sondern umgekehrt entsteht aus einem malerischen Kürzel, das verdichtet wird, etwas, dass eine pflanzliche Assoziation auslösen kann. Aber der Titel geht insofern darüber hinaus, da es auch um die Vergänglichkeit geht. Ein Bild bleibt so, wie es ist, wenn es einmal getrocknet ist. Es ist ein Moment, der ewig wird. Ausgelöst wurde Flowers 24hours durch die scheinbar nie welkenden Blumen der 24 Stunden geöffneten Delishops in New York.

Nun heißt die neue Ausstellung, in deren Anschluss dieser Katalog entstanden ist, konkretsichtbar. Das scheint ja nun gar nicht zusammenzupassen.

Meine Bilder sind Bildgefüge aus Reihungen, Rhythmen, Verdichtungen von konkreten, das heißt von nachvollziehbaren, von ablesbar gesetzten Pinselstrichen. Denn konkret bedeutet in seinem Wortsinn, also von lat. concretus, nichts anderes als: zusammengewachsen, verdichtet.
Der sich aus der Verdichtung der Pinselstriche ergebende räumliche Illusionismus schafft eine abstrakte Raumillusion.
Das steht natürlich im Widerspruch zur konkreten Kunst, meine Malerei ist gestisch und auch durchaus emotional. Und auch wenn der Bildaufbau in seiner Grundidee geplant ist, entstehen die Bilder dem Plan folgend und ihn dann zum Teil überwindend im Prozess. So ist in der Verkettung der beiden Begriffe der Titel konkretsichtbar von Katalog und Ausstellung im Kunstverein Rosenheim entstanden.

Du hast von dem Licht gesprochen und von der Steigerung der Farbwirkung. Und das beobachtet man gerade im Moment in Deinen Bildern, in dieser neuen Serie also ob. Die sind teilweise unglaublich starkfarbig.

Manchmal ist es auch schön, wenn man ein ganz reduziertes Bild hat, weil die Farbigkeit der anderen dadurch stärker wird. Ein graues Bild, da kann man sich die Farben auch einfach hinzudenken, das ist wie in der Dämmerung, wenn alles vermeintlich grau wird, und trotzdem haben die Dinge ja noch ihre Farbe.

Deine Bilder entstehen im Kunstlicht im Atelier. Verändern sie sich dann nochmal im Naturlicht?

Nein, das hat eher etwas mit dem Raum zu tun, z.B. bei der Hängung in einer Ausstellung, da geht es um die Gesamtwirkung der Ausstellung, wenn ein Bild dann doch nicht aufgehängt wird.
In meiner aktuellen Ausstellung im Kunstverein Rosenheim wollte ich nicht nur Bilder aus der Serie als ob zeigen und habe dann noch eine neue wanderung gemalt, locker, starkfarbig, – ein gewisser Bruch. Ursprünglich wollte ich ja die neuen runden Bilder aus der Serie bloom mit den quadratischen kombinieren, es wurde aber zu unruhig. Deshalb habe ich sie räumlich dann getrennt.

Wenn Du davon sprichst, die Leuchtkraft der Farbe zu steigern, was meinst Du damit? Die Wahl der Farbe entscheidet ja schon über die jeweilige Leuchtkraft. Rot zum Beispiel hat eine andere Wirkung als Braun.

Ja, klar. Aber nicht jedes Rot leuchtet. Das ist natürlich eine technische Frage. Wie kann ich erreichen, dass eine Farbe lichthaltig ist und dadurch Leuchtkraft bekommt? Die Farben kommen aus der Tube und dann mische ich sie erst einmal mit dem Pinsel. Und dann werden sie weiter auf dem Bild selbst vermischt, in Schichten übereinandergelegt. Und weil es Lasurschichten sind, ist es so, dass, wenn man sie nass in nass übereinanderlegt, sich die Farbschichten dann miteinander verbinden. Also, je nachdem, wie fest man mit dem Pinsel drückt, stärker oder schwächer. Wenn es um die Leuchtkraft geht, ist das Verfahren eigentlich so, dass – wenn die Farbschichten ganz dünn sind - das Tiefenlicht sozusagen vom Bildgrund herkommt, von der Grundierung.

Wenn man über die Leuchtkraft von Farbe spricht, dann kann man die Lichthaltigkeit einer Farbe meinen. Zusätzlich ist es bei Dir, wie Du sagst, auch eine räumliche Wirkung, die aus der Bildtiefe entsteht.
Ich finde das interessant, weil Christoph Bauer im letzten Katalog von 2018 von der Art und Weise gesprochen hat, wie Du mit Farben umgehst, vergleichbar mit den venezianischen Malern, denen es ja auch darum ging, die Schönheit der Farbe in den Vordergrund zu stellen.

Natürlich ist es auch toll, wenn man mit Farbe so einen Reichtum vorgaukelt.

Er schreibt „prunkende“ Malerei.

Das ist sehr liebenswürdig. Das ist natürlich auch ein Privileg des Malers, dass er zum Beispiel edle Geschmeide darstellen kann, mit nichts als Schwarz, Gelb und Weiß. Es ist nur Farbe, nur Pinsel, nur eine Leinwand. Eigentlich wenig, man braucht sehr wenig, um viel an Schönheit, an imaginärem Raum, an Vorstellungsraum zu schaffen. Das ist das, was mich daran fasziniert. Und es ist auch schön, wenn andere Menschen das dann auch mögen. Ich habe eigentlich schon ein inniges Verhältnis zu den Betrachtern meiner Bilder, verrückterweise ist das so. Ich möchte, dass es ihnen gut geht. Für mich sind Bilder, und nicht nur meine eigenen, sondern auch alte Bilder z.B., vor allem ein Quell großen Glücks. Sie anschauen zu können, das finde ich wunderbar. Es gibt wenige Dinge, glaube ich, die ich so schön finde, wie manche Bilder – oder, es gibt eigentlich nichts Schöneres als Malerei.

Welche Rolle spielt die Natur? Bist Du gerne in der Natur?

Es ist schön, Natur zu erleben. Einen Wasserfall z.B. zu betrachten. Diese Möglichkeit der ständigen Veränderung in dem gleichförmigen Blick bei einem Wasserfall oder ganz normalen Bewegungen von einer Wiese z.B. oder wenn man den Himmel betrachtet. Da muss noch nicht einmal eine Wolke darauf sein, er verändert sich trotzdem. Geräusche können sich ja auch unmerklich verändern. So etwas finde ich sehr interessant. Ich finde es wichtig, die Natur als etwas zu begreifen, das auch in unspektakulären Dingen schön ist. Aber ich würde sagen, ein wunderbar gemaltes Bild ist eben etwas Einzigartiges.

Es ist ja auch so, dass der Wasserfall oder die Wolken von der Natur gemacht werden, das Bild macht der Mensch. Und somit verändert sich auch der Anspruch, der dahinter steckt. Du willst ja nicht die Natur imitieren, obwohl mancher sich an Wolken oder an Landschaftsdetails erinnert fühlt oder an Pflanzliches.

Dagegen ist nichts einzuwenden. Mir geht es gut, wenn jemand sich dazu eigene Ideen macht und sich darin verliert in eigenen Gedanken, sich erinnert an Dinge. Das finde ich ganz wichtig, dieses Denken an Dinge, dass man etwas einmal wahrgenommen hat und das wieder für sich zurückholen kann. Also Gesehenes oder Erlebtes zurückzuholen, wenn ein Bild so etwas kann… .

Also im Prinzip den gleichen Weg zu gehen, den Du auch gegangen bist?

… was ich wichtig finde, ist, wenn eine Autonomie des Betrachtens da ist. Ich glaube, Bilder haben etwas sehr Beruhigendes, denn sie sind so, wie sie sind. Und man kann sich im Prinzip ein Bild von Georges de la Tour nach 20 Jahren wieder anschauen und es immer noch genauso schön. Man ist ein anderer Mensch, der dem gegenübertritt, aber man weiß noch, was man gedacht hat, als man das Bild das letzte Mal gesehen hat. Das kann einem vieles klarmachen. Ein Bild kann ein Spiegel sein.

Es war 1995, zum Abschluss Deines Villa Romana Preises in Florenz, als in einem der ersten Kataloge Wolfgang Heger schrieb, Du würdest in Deinen Bildern ein Spiel spielen mit den Wünschen des Betrachters, der gezwungen sei, hineinzusehen, und nach Bedeutungen suche. Siehst Du das heute genauso?

Was mir an dieser Aussage eigentlich nicht gefällt, wenn ich darüber nachdenke, ist die Tatsache, dass ich nicht mit Wünschen spiele, sondern dass meine Bilder für den Betrachter ein Gegenüber sein sollen, mit Tiefe und Schönheit, mit Bewegung und Ruhe, etwas, dass einfach nur da ist, und eher befriedet als herausfordert.
Aber natürlich, es klingt verlockend, mit Wünschen zu spielen.

Erfüllst Du Wünsche?

Das wäre schön, wenn das gelänge. Aber es gibt diese dunkle Seite in Wünschen, dieses Obskure. Eine symbolistische Seite, etwas Psychologisierendes. Und das, glaube ich, das möchte ich nicht.
Es ist interessant, ich habe gerade in Berlin eine Ausstellung mit Werken belgischer Symbolisten angeschaut. Das ist ja eigentlich überhaupt nicht meine Thematik. Alles sehr schwül, sehr erotisch und sehr gegenständlich. Aber es hat viel zu tun mit Halbdunkel und mit Unerfülltem und Unausgesprochenem. Und das ist natürlich schon auch Bestandteil in meinen Bildern. In dem Moment, in dem man den Betrachter sozusagen auffordert, sich dahineinzudenken oder hineinzuträumen oder nachzusinnen, was ihm am besten gefällt, oder nur die Farbigkeit zu genießen – in dem Moment setzt man Assoziationen in Gang. Bei diesen Bildern der belgischen Symbolisten hat man durch die Inhaltlichkeit erst einmal einen klaren Anhaltspunkt, aber es gibt eben auch diese Mehrdeutigkeiten.

Gibt es noch einen Aspekt, der Dir auf dem Herzen liegt?

Ja, etwas, dass wir nicht angesprochen haben, was mir aber sehr wichtig ist.
Es sieht oft so aus, als ob sich Malerinnen und Maler nicht mit theoretischen Fragen befassen. Die Unterstellung, man male eben, losgelöst von den gesellschaftlichen Frage- und Problemstellungen der Zeit.
Das Festhalten an der Idee der Gültigkeit des Realen, des einen Originals eben, kann doch ebenso eine Reaktion auf die zunehmende Beliebigkeit durch Verfügbarkeit der Digitalisierung sein und nicht nur ein unreflektiertes Festhalten am bisherigen Kunstbegriff.
Aus der Globalisierung und Digitalisierung ergeben sich einfach viele Fragen für die Kunst, den ganzen Kunstbetrieb insgesamt. Die Frage, zum Beispiel, inwieweit wir an Erkenntnismöglichkeiten in einer virtuellen Welt im Vergleich zur realen glauben? Inwieweit ist ein realer Ort einem virtuellen überlegen und umgekehrt? Wie wichtig ist es, sich einer Sache mit Mühe zu nähern? Also, sich auf den Weg zu machen, und sich zu einem bestimmten Ort tatsächlich zu begeben. Ist wirkliche Teilhabe nur in realer Welterfahrung möglich?
Ich bin einfach der Überzeugung, dass reale sinnliche Erfahrung vor dem Original nicht ersetzt werden kann.

Die Aufnahme bricht nach 40:28.65 min ab.

 

 
 

Eröffnungsrede Adrienne Braun, wider und Welt, Galerie Abtart, Stuttgart, 2019

Ich hoffe, Sie sitzen oder stehen sicher, haben festen Boden unter den Füßen. Denn Kunst kann uns bewegen, erschüttern, aus dem Lot bringen. Sie vermag es, unseren Geist zu irritieren und auf ungekannte Pfade zu locken.
Jaja, mögen Sie denken, das ist jetzt wieder das übliche Kunsthistorikergeschwätz, bei dem allzu gern darauf verwiesen wird, dass Kunst an Sehgewohnheiten rüttle, dass sie Selbstverständliches hinterfrage und uns unter Umständen gewaltig zusetze, damit wir uns aus unseren eingefahrenen Bahnen heraustrauen.

Aber wenn Daniel Wagenblast Revolver in den Ausstellungsraum hineinzielen lässt, dann merken wir ganz unmittelbar und physisch, wie Kunst auf uns einwirken und manipulieren kann. Denn etwas in uns geht sofort auf Rückzug. Wir reagieren reflexhaft, fühlen uns unbewusst angegriffen, bedroht und treten innerlich automatisch einen Schritt zurück. Die Wirkung dieser Reliefs ist gewaltig – und es dauert einen Moment, bis wir die Situation begriffen und uns vergegenwärtigt haben, dass es sich um Holzobjekte handelt – und nicht um eine reale Bedrohung.

Damit darf ich Sie herzlich willkommen heißen bei der Ausstellung von Isa Dahl und Daniel Wagenblast. Ein bewährtes Duo, beide sind sie keine Unbekannten hier in der Galerie und in der Kunstszene an sich. Zwei grundverschiedene Positionen:
Isa Dahl malt, fast meditativ scheint sie die Pinselstreifen auf der Fläche zu entwickeln. In pulsierendem Rhythmus wölben sich ihre Farbbänder auf zu Falten und Schlaufen. Die zart linierten Streifen erinnern an Blätter, an Florales, aber auch an Blicke durchs Mikroskop auf organisches Gewebe, Fasern, Algen, Mikroorganismen. Leicht und luftig, fast entmaterialisiert und wie ein Hauch tänzeln diese Strukturen mitunter über die Fläche.

Daniel Wagenblast ist dagegen ein durch und durch handfester Künstler. Er schafft Objekte, die den Raum in Besitz nehmen und physisch greifbar sind. Es sind selbstbewusste und präsente Skulpturen, die auch erzählerisch sind, dramatisch zugespitzt. Figuren mit scharfkantigen Schwertern, ungleiche Paare, bei denen allein der Größenunterschied der Figuren beredt ist und Spannung erzeugt, fast aggressiv.

Und doch haben die Arbeiten von Isa Dahl und Daniel Wagenblast etwas gemeinsam: Sie setzen sich in Bezug zu uns. Es sind keine hermetischen Kunstpositionen, die nur für sich, den Kunstbegriff oder den Kunstbetrieb existieren, sondern sie binden dezidiert die Rezipienten ein und forcieren nachgerade eine Reaktion.
Nicht immer lassen sich auf Anhieb die Interaktionen der Figuren von Daniel Wagenplast interpretieren. Aber die physische Kraft dieser Szenen ist enorm. Es ist weniger die inhaltliche Botschaft als die Strahlkraft der Skulpturen, die körperliche Energie, die sich unmittelbar überträgt.

Oftmals sind die Figuren schnell, gar grob konturiert, was ihren Ausdruck nur noch unterstreicht. Die Nase groß, der Kiefer stark, die Haare abstehend wie im Flug – und schon hat Daniel Wagenblast der Szene eine Entschlossenheit eingeschrieben, die von energischem, vielleicht gar gewaltvollem Handeln erzählt. Die Brüste der Liegenden sind allzu prall, kokett aalt sie sich und wirft ihre Mähne nach hinten, aber die dicken, tapsigen Füße verraten doch auch ein ungelenkes Menschlein, das vielleicht doch nicht so mondän und schillernd ist, wie es vorgibt zu sein.
Und dann diese bewaffneten Hände. Es sind, natürlich, Männerhände, an denen Blut klebt. Ein Sujet, das in Ausstellung eher ungewöhnlich ist: Knarren gehören ins Entertainment, zum Krimi, aber nicht in die Bildende Kunst – schon gar nicht in solch dramatischen Szenen, so drastisch, theatralisch, laut.

Der Kontext fehlt, Daniel Wagenblast hat sich auf die Geste konzentriert, auf den Moment der Bedrohung. Worauf spielt er an? Auf Straßenkriminalität, Drogenbosse, harte Kerle? Dazu passen das brennende Auto, die Figur, die Öl ins Feuer zu gießen scheint und einen Flächenbrand provoziert. Diese Objekte evozieren ganz unmittelbar Straßenschlachten, die Proteste der Gelbwesten in Frankreich, Gewalt im Hamburger Hafenviertel.

Sicher ist: Daniel Wagenblast provoziert uns, bedroht uns. Der Pistolenlauf ist in den Raum gerichtet, als würde hier gleich wie beim Amoklauf blind in die unbedarfte, unschuldige Masse geschossen werden. Von den Flammen, die hochschlagen, scheint eine gefährliche Hitze auch für uns auszugehen. Das sind Bilder, die wir tagtäglich im Fernsehen präsentiert bekommen, nicht nur in den Nachrichten, sondern in den zahllosen Krimis, die der Mensch offensichtlich so gern sieht, dass eine ganze Industrie damit befasst ist, dramatische Szenerien zu entwickeln, spannungsgeladene Konflikte zu inszenieren und mit allen erdenklichen Mitteln diesen Moment des grauslich-süßen Schreckens und Kitzels zu provozieren.

Die Kunst hat es schwer, sich neben dieser Lust nach Action, Thrill und Horror zu behaupten – und wird doch auch gemessen an dieser immer höher geschraubten Reizschwelle. Sie sieht sich zunehmend genötigt, ebenfalls spektakulär zu sein, um ein erlebnishungriges Publikum zu befriedigen. Längst giert auch der Kunstmarkt nach Spektakel, nach Show und Event, dabei ist es doch eigentlich gerade die Qualität und das Vermögen der Kunst, uns auch mit leisem Einsatz in Bewegung zu versetzen.

So spielen diese Reliefs von Daniel Wagenblast nicht nur auf Action und Krimi an, sondern reflektieren auf ironische Weise die Funktion der Kunst und damit auch die Rolle oder auch Misere des Künstlers, der gezwungen ist, Werke zu produzieren, die unserem Erlebnishunger gerecht werden, die auffallen, aufrütteln und irritieren. „Da habt ihr’s“ scheinen uns diese bewaffneten Hände sagen zu wollen, die auf uns zu gehen und bedrängen, uns die Pistole auf die Brust setzen und fragen: „Ist es das, was ihr von der Kunst erwartet?“

Solch klare, direkte, durchaus provozierende Reaktionen auf das System an sich sind Isa Dahl fern. In einem ruhigen, extrem konzentrierten Malakt entwickelt sie ihre Formen, Schlingen und Schlaufen, die sich endlos fortzusetzen scheinen wie Organismen, die wuchern und wachsen. Isa Dahl drängt nicht in den Raum hinein, geht nicht auf uns zu, sondern arbeitet sich im Gegenteil auf der Leinwand in die Tiefe hinein. Oftmals sehen wir nur einen Ausschnitt von größeren Räumen, von denen uns nur ein schmaler Durchblick eine Ahnung gibt. Das Sichtbare verweist auf etwas, das jenseits des Rahmens stattfindet und groß und weitläufig sein könnte.

Während uns Daniel Wagenblast vor den Kopf stößt, auf uns zugeht, bedrängt, so werden wir in die Bilder von Isa Dahl hineingezogen. Mit nichts als ein paar Schlingen vermag sie uns mitzureißen. Unser Blick verhakt sich, hängt fest. Wir scheinen an dieser rosaroten Welle haften zu bleiben, als sei sie zuckrig und klebrig. Wir werden vom Olivegrün eingefangen wie von Algen, die sich unter der Wasseroberfläche um unsere Beine schlingen. Dann wieder fühlt man sich an Luftgeister erinnert, die über die Fläche jagen und uns mitreißen mit geheimnisvollem Sog.

Diese Schlaufen und Strukturen mögen leicht und harmonisch schwingen, und doch sind sie abgründig und ambivalent. Das liegt zum einen an den Formaten. Wir haben es nicht mit den gängigen, wohlig proportionierten Standardmaßen zu tun, bei denen Höhe und Breite in einem entspannt austariertem Verhältnis stehen. Bei Isa Dahl sind die Formate oftmals zu schmal oder zu flach, wodurch der Effekt erzeugt wird, dass das Motiv nachgerade in den Bildausschnitt gepresst wurde.

Es entsteht der Eindruck klaustrophobischer Enge. Die Bildränder beschränken den Blick, grad so, wie wenn man durch einen Schlitz in ein fremdes, geheimnisvolles Universum lugte.

Dann wieder greift Isa Dahl zum quadratischen Format. Doch auch hier stellt sich ein Gefühl der Enge ein. Die gewellten Formationen wölben sich so energisch auf, dass kaum Luft bleibt. Diese Farbschlingen bäumen sich auf und wachsen in die Höhe wie Architektur, sie treiben weiter wie die Wellen eines Flusses. Selbstbewusst, kraftvoll und enorm dynamisch sind diese Bildwelten.

Die einzelnen Schlaufen entwickeln sich immer weiter, formieren sich zu einer Armada, in der das Einzelne aufgeht in einem großen Ganzen, zu einer gemeinsamen Bewegung wird, die mal kraftvoll in die Zukunft marschiert, mal wie bei einem breiten Fluss dahin fließt, immerfort und ohne Halt.

Wie beiläufig lädt Isa Dahl ihre Bilder mit enormer Spannung auf. Denn sie zeigen einerseits Dynamik, Kraft, die etwas zu bewegen vermag. Sie lassen aber auch die darin brodelnde Gewalt und Unausweichlichkeit anklingen, es kann schließlich sehr ungut sein, wenn alle gleichgeschaltet in eine Richtung marschieren. Selbst wenn die Farben hell, licht, süß sind, grundiert sie eine Schärfe. Und auch wenn ein freundlicher, gelber Lichtstreif Hoffnung weckt, wird doch zugleich unsere Furcht vor der Unendlichkeit und dem nicht Fassbaren geschürt.

Dabei erzählen diese Bilder aber auch vom Wunder der Malerei, die mit nichts als etwas Farbe auf der Fläche Räume entstehen lässt. So, wie Daniel Wagenblast plastische Formen aus dem Holz herausholt, so vermag auch die Malerei Räume und Volumen erschaffen, zu denen wir uns körperlich in Bezug setzen. Die Sprache gerät hier schnell an ihre Grenzen, es lassen sich kaum geeignete Begriffe finden für diese Motive. Diese ästhetischen Phänomene existieren jenseits der Sprache und wirken subkutan. Sie zielen direkt durch ihre sinnliche Intensität auf unsere Emotionen und be-rühren uns.

Da ist es also auch wieder, diese Kraft der Kunst, die erschüttern, bewegen, uns körperlich in Bewegung setzten kann – und damit letztlich das Denken anstoßen. Deshalb lassen Sie sich in die Bilder von Isa Dahl hineinziehen, um aus sicherer Position heraus am eigenen Leib erleben zu können, wie leicht wir uns mitunter mitreißen lassen von einer Energie, die vielleicht auch ins Negative umschlagen kann. Spüren Sie die physische Präsenz der Skulpturen von Daniel Wagenblast, Setzen Sie sich in Bezug – und Sie werden dabei durchaus auch etwas über sich selbst erfahren und die unsichtbaren Kräfte, die hier auf uns einwirken.

Adrienne Braun

© für alle Texte liegen bei dem jeweiligen Autoren

 

 
 

Eröffnungsrede Dr. Irmgard Sedler, Von der Möglichkeit einer neuen Wirklichkeit, Galerie Cyprian Brenner, 2019

Vernissage Isa Dahl, Schwäbisch Hall 7. Juli 2019

Sehr geehrte Damen und Herren,

hier, inmitten einer malerischen Offerte, die unsere Sinne zu überwältigen scheint, halte ich mich an zwei, nennen wir sie Gesetzmäßigkeiten des schöpferischen Umgangs mit Wirklichkeit, die sich auch als Grundkoordinaten für die Rezeption von Isa Dahls Kunstuniversum anbieten. Die eine dieser Gesetzmäßigkeiten hat Hans Jörg Rheinberger, Kulturphilosoph und ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts in Berlin im Hinblick auf die Historizität von kulturellen Symbolräumen und Bedeutungssystemen so auf den Punkt gebracht: „Alle Innovation ist am Ende in einem fundamentalen Sinne das Resultat von Repetition“. Und weiter: „Auch künstlerische Repräsentation läuft immer wieder auf die Ermöglichung von Neuem heraus, unter den Bedingungen eines differenziellen Anschlusses an das Gewesene."

Eine andere, dem schöpferischen Prozess immanente Gesetzmäßigkeit, betrifft den Umgang mit der Wirklichkeit an sich. Bestimmte Wesensmomente der gegenständlichen Welt werden hierbei in die Abstraktion überführt und gleichzeitig wird diese ins Abstrahiert-Intellektuelle sublimierte Wirklichkeit auf künstlerisch-magische Weise zu einer neuen Wirklichkeit de Sinne aufbereitet, die uns als neue, künstlerische Realität gefangen nimmt.

Isa Dahls Werke eignen sich, besonders aus diesen Blickwinkeln betrachtet zu werden. Wer sie anschaut, hat im ersten Moment den Eindruck, er könne den Malprozess im Geiste nachvollziehen. Man vermeint, die Künstlerin ließe den Betrachter, indem dieser den Linien und Pinselstrichen in ihrem Duktus zu folgen vermag, an der Entstehung ihrer Arbeit teilhaben: Diese prägen sich ihm ein als ein Resultat des mit großer Sicherheit und Energie vollzogenen gestischen Malens, authentisch, oft wuchtig, indem sie auch die unerwarteten Bildzufälle gekonnt ins Ganze einbinden.

Es wäre aber viel zu einfach, die Arbeiten einer Isa Dahl in Anlehnung an das Informel, dessen Einflüsse auch nicht zu leugnen sind, auf die spontane Gestik im Malstil zu reduzieren. Die undogmatische Art ihres Malens, ihr unverkennbar eigener, als neu erfahrbarer Malstil ist im Sinne der anfangs angesprochenen Prinzipien aus Isa Dahls Haltung zu erklären, dass sie unvoreingenommen an die Grundfeste der Malerei, auf das Elementare zurückgeht.

Die Künstlerin baut, ohne irgendwelche kunsthistorische Entwicklungslinien zitieren zu wollen, einzig und allein auf den seit jeher geltenden Grundelementen der Malerei an sich auf: Farbe, Licht, Struktur im Sinne von Komposition als ein im Ausschnitt Gefügtes. Das zusammen sind die Ingredienzen, die Isa Dahl mit einer traumwandlerischen Sicherheit in der Pinselführung zu einem malerischen Œuvre verdichtet, das in Sachen Ästhetik und geistiger Erfahrung von Sinnlichkeit – was kein Paradoxon ist – seinesgleichen sucht.

Die deklarierte Vorliebe der Künstlerin für die Ölfarbe kommt nicht von ungefähr. Indem sie sich für die Materialität dieser Art Farbe interessiert, geraten jene schöpferische Qualitäten Isa Dahls in den Blick, die als ein geradezu sinnliches, tiefliegendes Verständnis für das Wesen dieser Farbe beschrieben werden kann. Unter dem breiten, intuitiv sicheren Pinselschwung, mit dem die Künstlerin ihre an Rahmen gebundene Bildflächen in einem Zuge in rhythmischer Gestaltung vollzieht, fügt sich ihr der flüssige, in einer besonderen Art lichtreflektierende Farbstoff bedingungslos unter. In unterschiedlicher Konsistenz vorbereitet, hat man den Eindruck, hier ein Zu-sich-selbst-Kommen der Ölfarbe zu erleben, ganz im Sinne der Auslotung aller inneren Grenzen, um das Wunderbare, das im Material verborgen liegt, an den Tag zu bringen.

Auf der flachen Leinwand eröffnen sich dem Betrachter plötzlich geheimnisvolle Tiefenräume. Es tun sich einem Orte des künstlerischen Wissens zwischen Erdichtetem, Erahntem und dem Wahren, dem Wahrnehmbaren auf; Kraftfelder verströmen sich im wogenden Auf- und Ab, scheinen über das rigide Geviert eines Bilderrahmens in Fläche und Raum hinüber zu fließen; oder aber sie artikulieren sich explosionsartig im Tondo, das Strukturprinzip der Zirkularität herausfordernd. In jüngster Zeit bevorzugt Isa Dahl die Kreisform, auch weil hier mit den Möglichkeiten der gegenläufigen Drehungen experimentiert werden kann.

Und dann sind wir schon dort, wo sich das Wesentliche dieser Werke artikuliert – bei der Komposition. Das gestische Malen folgt intuitiv und mit großer Sicherheit einem von der Künstlerin verinnerlichten Kompositionsschema, das die Energie des Malflusses zu binden vermag und so die Strukturen schafft, welche Botschaften von Bewegung in sich tragen und beim Betrachter Ahnungen von bewegter, energiegeladener Natur auslösen. Die in mehrschichtig lasuriertem Farbauftrag dynamisierten Pinselbreitbänder mit einer subtilen Binnenzeichnung finden ihre Balance im raumverspannten Zusammenhalt und geben ein dankbares Terrain für Assoziationsketten ab: Schlaufenkombinationen, Wirbel, Netz- und Gitterstrukturen lassen sich im Auge des Betrachters mal rein konstruktiv, mal vegetabil „besetzen“, etwa als greifbare Darstellung lichtdurchfluteter Schlingpflanzen oder aber wogender Unterwassergewächse. Dabei schließt die Bildkomposition, wie es die Malerin stets dezidiert betont, jeglichen vorab festgelegten ikonographischen Sinn aus.

In Wirklichkeit aber schaffen sie doch „nur“ eine lyrisch verdichtete, geheimnisvolle Kunstwelt, die fließt und schwingt, auf- und ausbricht und rückflutet – deren Bedeutungsraum man erahnen aber nie ganz erfassen wird. Wir haben es in den Bildern von Isa Dahl mit einer Kunstrealität zu tun, die neben der Wirklichkeit in parallelen Schritten daher geht, sie begleitend und mal be-, mal entschleunigend wirkt. Es ist eine Kunstrealität, die sich über all die erwähnten Assoziationen in der realen Welt spiegelt, letztlich aber diese in ihrer Essenz, den Grundkoordinaten alles Existierenden – Raum, Zeit und Licht – widerspiegelt.

Und dann das Licht: Im Zusammenspiel mit der Farbe schafft es in unerschöpflichen Kombinationen überwiegend eine pointiert heitere Grundstimmung. Mit Energie überbordend befrachtet, ist es das Licht, das meistens harmonisch von Hell bis Grell, seltener dunkel mysteriös und doch nie schwer, immer aber in seiner Frische das Werk Isa Dahls trägt, womit dieses Werk so dem Kosmos zeitlicher Vergänglichkeit zu trotzen weiß.
Isa Dahls Arbeiten der jüngsten Zeit brechen manchmal aus der stimmungsvollen Gefühlsdichte explosionsartig aus, sie können gar „Gefühlsverbrennungen“ provozieren. Brüche markieren das Lineament der in Wirbeln, Rundungen, Netzen oder aber im Stufenrhythmus versetzten, sich überlagernden Schwüngen der Pinselbänder artikulieren. Irisierende Farbareale schleichen sich ein und erschaffen in einer Transformation von real Erschautem eine abstrakte Komposition, die sich nun erstmals auch mit den Möglichkeiten des Abstrakten Expressionismus auseinandersetzt.

Damit geht Isa Dahls Malerei jenseits der aus Raum und Zeit nur scheinbar herausgehobenen ästhetischen Autonomie ganz unprogrammatisch den grundlegenden Fragen zur Möglichkeit der Kunst in Bezug auf die Reflektion der Zeit, in der sie entstanden ist, nach. Isa Dahls Bildkompositionen lenken den Blick des Betrachters, wie anfangs festgestellt, auf den Mal-Akt selbst. Die Führung des Pinselstriches im Ablauf von Zeit ist für den Betrachter nachvollziehbar, hin und wieder auch der Ansatz der zweiten und dritten transluzid gehaltenen Farbschicht. „Jede Handlung [auch die malerische] hat etwas von einer Erfindung“ – ich zitiere hier aus dem grundlegenden Werk von Georg Kubler The Shape of Time/ Die Form der Zeit, von 1962 – „Es gibt keine zwei Dinge oder Handlungen, die als identisch angesehen werden können, weil sie sich von den zeitlich davor und dahinterliegenden Erfindungen unterscheiden.“ Insoweit erscheint auch jeder Pinselstrich im Bild als eine Fortführung des Vorherigen und eine Vorwegnahme des Künftigen, wobei das Wissen und die Ahnung kultureller vorheriger Erfahrung einer Signatur gleich, ins malerische Handlungsmuster, hier in den Pinselstrich mit einfließen.

Die, mal breite, mal gratig schmale Pinselführung rhythmisiert den Blick des Betrachters. Sie zwingt ihn, ihr über die ganze Bildfläche zu folgen. Der Blick übernimmt und verinnerlicht somit umgehend in einer Transferfunktion der Farb- und Lichtbewegung die Magie des Bildraums, der einen bei Isa auf eine ganz besondere Weise gefangen nimmt. Zweidimensionalität schlägt um in die Illusion räumlicher Wahrnehmung und die Bilder beginnen plötzlich zu pulsieren.

Denn, in diesen Bildräumen findet Narration statt – über die „Nacherzählung“ des Mal-Aktes, im Fluss des Pinselstrichs erzählt sich Zeit selbst. Zeit schreibt sich als Farb- und Blickfluidum im vom Rahmen begrenzten Bildrechteck, im Tondo oder aber in den Blickwinkelwelten der Dreieckgemälde ein.

Es entsteht so ein wirkungsmächtiges, malerisches Essay rund um Zeit, Raum und Licht, in dem die von der Künstlerin in die Bildfläche gesetzten, ureigenen Signaturen, „die Magie romantischer Hieroglyphenschrift“, um mit Jaques Rancière zu sprechen, verströmen. Isa Dahl beteiligt sich auf ihre ganz eigen Weise letztlich an nichts Geringerem als an der großen zeitgenössischen Narration von Kunst und Menschheit, „auf dass die Geschichte des Menschen weitererzählt werden kann, mitsamt der Poesie, die das Geheimnis in die Welt schreibt, ohne es zu verletzen.“

Dr. Irmgard Sedler

© für alle Texte liegen bei dem jeweiligen Autoren

 

 
  Dr. Sabine Heilig: Textauszug aus Katalog Isa Dahl JETZT , 2013

Über den Umgang mit der Farbe

„Ich mache nichts anderes als zu malen und wenn ich nicht male, dann denke ich darüber nach.“ (Isa Dahl 2012)

Ob Naturraum oder Stadtraum, Isa Dahls Blicke fallen auf Unspektakuläres, Kleinigkeiten am Wegesrand, städtische Winkel, Orte, die meist als uninteressant und belanglos links liegengelassen oder übersehen werden. Von diesen Orten macht sich die Malerin ein Bild, oft mit dem Fotoapparat, dessen Aufnahmen ihr als Erinnerungsspeicher dienen. 
Das Thema der Zeit, das in der Expressivität ihrer Malerei, in der dargestellten Bewegung im Bild sowie in der Vorstellung des abgelaufenen Entstehungsprozesses Ausdruck findet, ist ein wesentliches Element ihrer Malerei. Isa Dahl malt konzentriert, mit weit ausholenden Gesten, die das Bildmaß abmessen. Körpergefühl und Bildgefühl sind bei Isa Dahl eins. Ihr Tempo bestimmt das Tempo des Bildes, das in einem Zug, ohne lange Unterbrechungen gemalt wird. Korrigiert wird nur im Malprozess selbst. Im In-, Über- und Untereinander der Pinselbahnen und Farbschichten, im streifigen, verwischenden und sich konzentrierenden Liniengeflecht manifestiert sich ihre unverkennbare und ganz individuelle Sprache. Mit der Spur eines Goldfisches im Wasser1 könnte man sie vergleichen oder mit dem Flug einer Fliege, die kreisend ihren Landeplatz taxiert. 
Isa Dahl geht nahe heran an ihre Motive. Der Betrachter verstrickt sich in ihren atmenden Linienschwüngen, wird hineingezogen ins Bild. Ihre Bilder betrachte man nicht einfach, sondern man würde von ihnen aufgenommen2, heißt es. Die Farben pulsieren, der Bildraum bewegt sich vor und wieder zurück. Trotz allem nach außen hin so scheinbar Impulsiven muss klar sein, dass Isa Dahl eben keine intuitive Malerei betreibt. Kleine Zeichnungen mit Tusche, in Pastellkreiden oder Buntstiften bereiten die Kompositionen vor. Die Skizzen dienen der Systematik des Bildaufbaus.
Dabei lässt sich die Malerin in ihrem Tun von der Farbe und ihren Eigenschaften leiten. Wichtig ist ihr, „... nur dieses Umgehen mit der Farbe, wie sie reagiert, wie sie ineinanderfließt oder hart nebeneinandersteht, wie sie riecht, das ist einfach alles wunderbar“3, sagt sie darüber. Isa Dahl verwendet keine reinen Farben, sondern Farbmischungen, die auf der Leinwand zu wieder neuen Mischungen vermalt werden. Ihre Palette besteht überwiegend aus den Primärfarben Rot und Gelb sowie den Sekundärfarben Grün und Orange. Also Farben, die als warm (Rot) und lichtvoll (Gelb) oder fruchtbar (Grün) beschrieben werden.
Allein die vielen farblichen Abstufungen innerhalb der Bilder von Isa Dahl, welche die verwendeten Farben einander annähern, spiegeln den Facettenreichtum ihrer Malerei und das breite Spektrum ihrer Wirkungen. Die luziden Farbschichten in ihren Bildern, aus denen heraus das Licht den Bildraum gleichmäßig ausleuchtet, erzeugen eine räumliche Spannung. Sich konzentrierende Farbspuren und –schlieren lenken den Blick des Betrachters zu immer tiefer liegenden Bildschichten. Die Unendlichkeit des Bildraumes, die die Künstlerin mit dieser Art der Malerei erzeugt, macht selbst vor den Begrenzungen der Bildfläche nicht halt. Formabbrüche und –überschneidungen am Bildrand bewirken einen ausschnitthaften Eindruck.


1 Isa Dahl in: Katalog SüdWestGalerie 2002, S. 21
2 Zur Ausstellung der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, 2012
3 Katalog der Stadt Waiblingen, 2003, o.S.

© Dr. Sabine Heilig, Nördlingen

About interacting with colour

“I don’t do anything except paint. And when I am not painting, I am thinking about painting.” (Isa Dahl 2012)

Whether nature or urban space, Isa Dahl’s glance falls on unspectacular, trivial things at the roadside, in dark corners of the city, places that are usually uninteresting and forgotten or that have simply been overlooked. The artist often takes pictures of such things and uses these images to remind her.
The subject of time is a fundamental element of her art work, expressed by the eloquence of her painting and in the movement depicted in her work, as well as in the creative process itself. Isa Dahl paints in a very concentrated way, with wide sweeping gestures that measure the dimensions of the image. For Isa Dahl, body and image are one. Her speed determines the speed portrayed in the image, which is painted in one long stroke without any long pauses. Corrections are only carried out during the painting process itself. Her unmistakeable and unique style manifests itself in the in, over and overlapping of the brush strokes and layers of colour, in streaks, disappearing and concentrated webs of lines. One could compare them to the trail of a goldfish in water,1 or with the flight of a fly circling down to its chosen landing place. 
Isa Dahl gets up close to her subject. The observer gets lost in her brush strokes and is drawn into the painting. It could be said that one cannot simply look at her paintings, but rather that one is absorbed by them.2 The colours pulse, and the spatial dimensions of the image appear to make it move forwards and backwards; but despite their seemingly impulsive aesthetic, it must be made clear the Isa Dahl is not an intuitive painter. Small drawings in Indian ink, pastels or coloured pens help to prepare the composition. The sketches serve as part of the systematic development of an image. Although, the artist does let herself be influenced by the colours and their own distinct characteristics. It is important that, “... this interaction with colours, how they react, how they flow into one another or exist next to each other, how they smell, that is all simply wonderful”3  says Isa Dahl. She uses no pure colours, but rather mixtures of different colours that in turn are mixed anew when applied to the canvas.
Her palette comprises mainly the primary colours red and yellow, as well as the secondary colours green and orange. So colours that can be described as warm (red) and bright (yellow) or fertile (green). 
In Isa Dahl’s paintings, just the shades of colours alone bring the solid colours closer together and reflect the multifaceted nature of her paintings and the wide spectrum of their effect. The spatial tension in her paintings is created by lucid layers of colour, which emit an even light from within the spatial depths. Concentrated traces of colour and streaks of paint control the perspective of the observer, guiding them towards the deeper layers within the image. The infinity of the spatial dimensions, created by the artist’s painting style, is not controlled by the boundaries of the canvas. Interruptions in the style and overlaps at the edge of the paintings give them an almost ‘cut-out’ appearance.  

1 Isa Dahl in: Katalog SüdWestGalerie 2002, S. 21
2 Zur Ausstellung der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, 2012
3 Katalog der Stadt Waiblingen, 2003, o.S.

© Dr. Sabine Heilig, Nördlingen

 

 
  Isa Dahl zeigt drei ihrer seriellen Werkgruppen in den Räumen des Museums: „Augenblicke lang“ die tondoförmigen Rundbilder „eben still“, und Arbeiten aus der Serie „in Sicht“
Bereits an den Titeln ist der transitorische Charakter ihrer Bildmotive ablesbar.
In den Rundbildern wird der Blick des Betrachters durch eine undefinierte, aus dem Zentrum gerückte „Leerstelle“ fokussiert. Der Tiefenraum wird darüber hinaus durch die für Dahls Malweise charakteristische Lasurtechnik und die räumlichen Überlagerung der Strukturen erzeugt, die zum Bildhintergrund hin unscharf werden. Auf diese Weise entsteht ein perspektivischer Raumkörper, von dem der Betrachter angezogen und mehr noch: in den er hineingesogen wird. Die runde Bildform, rotierenden Strukturen als auch die Blickführung des Betrachters sorgen für einen konzentrierten energetischen Ausgleich von Ruhe und Dynamik, Stabilität und Labilität: „eben still“.
In „Augenblicke lang“ wird die Wahrnehmung des Betrachters nicht durch einen „Blickanker“ fokussiert, vielmehr wird – vor allem in einigen Bildern der hochrechteckigen Formate – der Bildraum in seiner ganzen Weite entfaltet und durch die ausholende Gestik der Pinselstriche aufgeladen. Dies geschieht vor einem Hintergrund, dessen abstraktfarbiges Changement die bis zur Dramatik gesteigerte Expressivität der Pinselstriche als leuchtende Folie mit unbestimmter Räumlichkeit hinterfängt. Im Vergleich zur Serie „eben still“ wirken die verschlungenen Strukturen weniger fest umrissen, labiler, spontaner, gestischer, tritt die Formulierung der Strukturen als „brushstrokes“, als reine Malerei stärker in den Vordergrund. „Augenblicke lang“ sind gestische Erzählungen ohne Anfang und ohne Ende, sind scheinbar zufällig gewählte Ausschnitte aus der Flut des Vorhandenen und Gesehenen.
Verdichtung und Expansion im Kontext von Farb- und Strukturräumen – diesen Grundverfassungen bildnerischen Gestaltens begegnen wir in den unterschiedlichen Werkgruppen Isa Dahls immer wieder aufs Neue. So zeigt die Serie „In Sicht“ der Schwerkraft unterworfene, hängende Geflechte von großer Leichtigkeit. Auch wenn die Binnenräumlichkeit dieser Arbeiten den Betrachter an nestartige Gebilde erinnert, sollte ihn die Darstellung eines vermeintlich konkreten Bildgegenstandes nicht über die genuin malerischen Intentionen der Künstlerin hinwegtäuschen. Auch in dieser Serie geht es Isa Dahl um die Auslotung eines raumzeitlichen Bildkontinuums durch Form und Farbe, um labile Gleichgewichtszustände, hervorgerufen durch die an sich paradoxe Arretierung flüchtiger Momente im Medium des Tafelbildes, um die konkrete Präsenz und körperlich erfahrbare Intensität leuchtender Farbräume.

© Dr. Velten Wagner, Kunstmuseum Engen
aus dem Katalog: Blow Up, Hrsg.Städtisches MuseumEngen + Galerie, 2006.

 

 
  Wenn man Isa Dahl zunächst den abstrakt arbeitenden MalerInnen zuordnen würde, drängt es sich auf, das Gemälde mit diesem Bild aus der Natur zu beschreiben. Isa Dahl nutzt in ihren Arbeiten gerade dieses Changieren zwischen Abstraktion und Realitätsbezug für eine differenzierte Beschäftigung mit Farbe, Raum und Struktur in der Malerei.
Sie arbeitet in einer Lasurtechnik, die ein schnelles und konzentriertes Handeln verlangt. Schicht um Schicht der transparenten Farbe wird aufgetragen. In ihren Gemälden erreicht sie dadurch eine enorme Bildtiefe und große Leuchtkraft.
Dies kann das Thema von Licht und Dunkel sein, das sie noch vor einigen Jahren intensiver beschäftigt hatte, oder die Auseinandersetzung mit der spezifischen Leuchtkraft jeder einzelnen Farbe und ihrer Möglichkeiten, wie dies in den jüngeren Bildern zu beobachten ist.

© Dr. Matthia Löbke, Kunstverein Heilbronn
aus dem Katalog: European art from Germany, 20 Positionen zeitgenössischer Malerei,
Hrsg. ECB Europäische Zentralbank Frankfurt am Main, 2004.

 

 
  Isa Dahls Bilder handeln nicht nur von der Malerei als Malerei; sondern die Art der Darstellung ist von entscheidender Bedeutung, spielt sie doch mit Errungenschaften der Klassischen Malerei, deren Tradition sie aufgreift und in einen neuen Kontext setzt.
Es geht um die Wirkung von Farbe als autonomes Medium und um die Erzeugung von Wirklichkeit, die eine gewisse Verwandtschaft zu Sehmustern besitzt, die in unserem Hirn gespeichert sind.

© Dr. Helmut Herbst, Waiblingen
aus dem Katalog: Isa Dahl, eben still, Städtische Galerie „Kameralamt“, Waiblingen, 2003.

 

 
  Isa Dahl baut ihre Bilder aus unzähligen Farbschichten auf. Schlieren, Wischer, Einschlüsse, die Spur des Pinsels , der bewegte, schnelle Duktus - all dies sind wesentliche Elemente der Bildgestaltung; rücken den Malprozess in den Mittelpunkt der künstlerischen Intention und auch der Seherfahrung des Betrachter.

Die Farbe ist für Isa Dahl nicht einfach deren farbliche Erscheinung.
Es interessiert sie gleichwertig ihre Materialität, Konsistenz, Dichte, Oberfläche, Räumlichkeit, Bewegung und Lichtfülle, aber auch deren Verhältnis zur Textur des Bildträgers, die simultane Vielfalt oder die sinnliche Wirkung der Farben, d.h. die Arbeit mit und das Erlebnis der Farbe sind das Primäre.
Eine mehrfach strukturierte entstofflichte Bildräumlichkeit entsteht, aus deren Tiefe ein geheimnisvolles, farbiges Leuchtlicht geheimnisvoll aufscheint. Der Blick wird in das Bild hineingezogen und ruht doch immer wieder auf der Oberfläche der letzten glänzenden Malschicht. Es ist dieses geheimnisvolle Leuchtlicht, das Isa Dahls Gemälden eine eigentümliche, verweisende Intensität verleiht. Es entstehen Werke, die Stille einfangen, die Stille speichern und diese Stille wieder ausströmen.
Die Polivalenz dieser Bilder zwischen Erinnerung und malerischer Auflösung, zwischen Erscheinung und Orozess, zwischen Farblicht und Oberfläche, Raumtiefe und Struktur, zwischen „reiner Malerei“ und Transzendenz ist es, die ihnen zugleich Eigenständigkeit wie Zeitbezug verleiht.

© Christoph Bauer, Kunstmuseum Singen
aus dem Katalog: Isa Dahl. Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendium 2000,
“Farbe, Licht, Raum, Struktur.Einige Bemerkungen zur malerischen Intensität Isa Dahls“, 2000.

 

 
  Die Einfachheit der Formen in Isa Dahls Bildern überrascht, ja verblüfft, weil zugleich die malerische Wirkung -von der Fläche in den Raum hinein- ganz außerordentlich ist.
Das Spiel der Farbe um die Kontur, die Lichtfugen, die diszipliniert verlegt sind, der Tiefenraum, der von der Künstlerin erzeugt wird, das alles macht dir seltsam ruhige Ausdruckskraft der Bilder aus.

© Günther Wirth
aus dem Katalog:Räume Innen Aussen Räume “Der Raum als Bildwirklichkeit“, Esslingen, 1997.

 

 
  Isa Dahl arbeitet seriell und stur an Strukturen und Zwischenräumen. Das Thema wird in einer beispielhaft radikalen Systematik aufgegriffen und durchgespielt. DasErgebnis, als Hell-Dunkel-Kontrast einfachster Strukturen in.Naß-in.Naß-Technik erzeugt, ist simpel, in sich logisch und klar. Immer sucht sie nach der Farbtiefe, nach dem imaginären Bildraum. Es ist “nur“ pure Malerei, ist “nichts“ als Abstraktion.

© Dr. Helga Meister, Düsseldorf
aus dem Katalog: Das banale Schöne, “Isa Dahl-Lichtgründe“, Düsseldorf, 1997.

 

 
  ....Die Dahl erfindet die „grüne Stunde“. Grünschwelende Zeit, wenn der Abend noch nicht Nacht geworden ist. Mit all ihren grünen Schmetterlingsnetzen und Fischreusen stellt die Dahl Fallen und fängt Geheimnis ein. Gut tuende und keineswegs langweilige Stille verfängt sich in Isa Dahls Netzwerk. Schatten, Böcklinische Zypressen-Schattenreiche verfangen sich in den Dahl-Farb-Maschen.

© Joachim Burmeister
aus dem Katalog: Isa Dahl- Nach Firenze, Katalog, “Das Florenz der Isa Dahl“,
hg. Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, 1996.

 

 
  Intensives Arbeiten, umfangreiche Bilderserien - nichts skizzenhaft Unfertiges, immer ausgeführte Taten.
Von einer Grundfigur abgelöste Einzelvorstellungen werden durch das Malen neu verschmolzen. Das permanente malerische Handeln ist das Entscheidende.
Es ist keine Malerei der Einfälle, der vorgeführten oder verborgenen Inhalte. Verborgen wird die Bildtiefe, gezeigt wird der Pinselstrich.
Der minimal eingesetzte Illusionismus bewirkt eine Oberflächenvergrößerung für die Entfaltung einer malerischen Struktur.
Wirklichkeitszitat und Selbstbehauptung der Malerei verbinden sich und werden durch das all over painting mit dem Format verklammert.
Die Bilder werden zunehmend komplexer, eigenartiger, dabei malerisch reiner, großzügiger.
... eine geistige Produktion, die sich selbst zu verproviantieren beginnt, ohne anämisch zu werden...

( Ludwig Hohl, Vom Arbeiten Bild )

© Dieter Krieg
aus dem Gutachten zum Graduiertenstipendium des Landes Nordrhein-Westfalen, 1993.